Die Löwin
er wäre wirklich tot.
Den Gedanken, Caterina einzuholen und sie zu zwingen, mit ihm nach Schwaben zurückzukehren, konnte er fahren lassen. Gewiss war sie schon bei ihren Leuten und hatte bittere Klage gegen ihn und seinen Vater geführt. Aber sie war der einzige Mensch, der ihn kannte und der ihm vielleicht mit ein paar Münzen aushalf, so dass er den Weg zurück in die Heimat antreten konnte. Bei dem Gedanken spottete er innerlich über sich selbst. Viel wahrscheinlicher war es, dass der alte Eldenberg ihn von seinen Knechten erschlagen ließ. Aber das war immer noch besser, als auf den Treppenstufen einer Kirche dahinzuvegetieren.
[home]
Zweiter Teil
Die Katastrophe
1.
S eit Caterinas Ankunft im Lager der Eisernen Kompanie waren mehrere Tage vergangen. Nun saß sie im Zelt ihres Vaters, aus dem Malle alle Erinnerungen an seinen früheren Besitzer entfernt hatte, damit sie den Schmerz ihrer Herrin nicht noch weiter anfachen konnten, und starrte auf die dunkelrot schwappende Oberfläche des Weines in ihrem Becher. Ihr gegenüber hatte es sich Fabrizio Borelli bequem gemacht, der das Privileg seiner Verwandtschaft mit ihr weidlich ausnutzte und sie belagerte. Im Augenblick hielt er zu ihrer Erleichterung den Mund, beobachtete sie jedoch scharf. Das war Caterina zwar zuvor schon aufgefallen, aber sie hatte sich bisher nichts dabei gedacht. An diesem Tag nun schien sich der schwarze Schleier, der ihre Seele seit dem Betreten des Lagers umhüllt hatte, ein wenig zu lichten, und ihr wurde klar, dass sie sich nicht weiterhin in der Trauer um die beiden Toten verkriechen durfte.
Sie war nach Italien gekommen, um bei ihrem Vater Schutz vor Hartmann Trefflich auf Rechlingen zu finden, und in eine Situation geraten, die weitaus größere Gefahren für sie barg als jene, vor der sie davongelaufen war. Nach Hause konnte und wollte sie nicht zurück, denn der Kaufmann und dessen Tölpel von Sohn würden leichtes Spiel mit ihr haben. Trefflich würde eine andere Entschädigung als die verfallene Burg und den kärglichen Landbesitz fordern und sie durch Gerichtsentscheid wohl auch erhalten. Doch sie wollte sich von niemand zwingen lassen, Bothos Frau zu werden. Wenn sie Herrin ihrer Entscheidungen bleiben wollte, würde sie sich in Italien eine Heimat schaffen müssen. Ihre eigenen Geldreserven waren durch die Reise aufgebraucht, und so schwante ihr, dass sie nur die Wahl hatte, entweder einen unerwünschten Ehegatten zu akzeptieren oder als Bettlerin in einem ihr fremden Land zu enden. In ihrem verzweifelten Bemühen, einen Ausweg zu finden, erinnerte sie sich an das, was der kleinwüchsige schwäbische Unteroffizier ihr am Morgen erzählt hatte. Darin mochte ein Hoffnungsschimmer für sie liegen.
Sie seufzte leise und blickte Borelli fragend an. »Vetter Fabrizio, Hans Steifnacken hat mir von einem Besitz in der Romagna erzählt, der meinem Vater gehören soll. Was weißt du davon?«
Borelli lachte kurz auf und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Du meinst Giustomina, meine Liebe. Das war ein Lehen auf Lebenszeit und ist mit dem Tod deines Vaters an den Papst zurückgefallen. Solche Besitztümer wie dieses Landgut sind die übliche Belohnung für einen Condottiere, dessen Dienste man sich erhalten will, ohne ihn zu einem Machtfaktor werden zu lassen.«
Caterina zog den Kopf zwischen die Schultern. »Schade! Ich hatte gehofft …« Den Rest verschluckte ein Seufzer. »Was ist es mit der Kriegskasse meines Vaters? Kann ich wenigstens so viel Geld daraus entnehmen, wie ich benötige, um seine Schulden zu begleichen?« Vielleicht könnte sie dann in Eldenberg unbelästigt leben.
Borelli lächelte in sich hinein und neigte scheinbar mitfühlend den Kopf. »Die ist so gut wie leer. Dein Vater hat sehr viel Geld darauf verwendet, seine Leute neu auszurüsten und kriegswichtige Vorräte anzukaufen. Der Rest reicht kaum für die laufenden Kosten wie Soldgelder, Nahrungsmittel und Viehfutter.«
»Ich dachte …« Caterina brach erneut ab und stellte ihren Becher auf den Klapptisch zurück, ohne daraus getrunken zu haben. Als sie weitersprach, klang sie bitter. »Diese Kompanie hier mit ihren Soldaten scheint das Einzige von Wert zu sein, das mein Vater mir hinterlassen hat. Nur – was soll ich damit anfangen?«
»Dein Vater hat sich und der Kompanie einen so großen Namen geschaffen, dass er zu einem Machtfaktor wurde, und das hätte ihm nun große Reichtümer eingetragen. Als Neffe deines Vaters und sein
Weitere Kostenlose Bücher