Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
Vom Netzwerk:
herausnehmen. Sonst lernt er nämlich Hans Steifnacken kennen – und das hat noch keinem gut getan.«

17.
    D as Erwachen war wie ein Vorgeschmack auf die Hölle. Botho Trefflich schwamm in einem Meer aus Schmerz, dessen Wogen mit vernichtender Gewalt über ihm zusammenschlugen und seine Pein in einem Maße steigerten, dass er es nicht mehr ertragen zu können glaubte. Da legte sich etwas Kühles auf seine Stirn, und erst als Wasser in seine Augenhöhlen rann, begriff er, dass es ein nasser Lappen war. Die Berührung tat gut, sie verdrängte den Schmerz ein wenig, so dass er sich nun doch wieder daran erinnern konnte, wer er war. Aber das beantwortete ihm nicht die Frage, wo er sich befand und warum er sogar zu schwach war, die Lider zu öffnen. Darüber nachzusinnen bereitete ihm viel Mühe, und so ließ er sich erneut in seine Schwäche hineinfallen.
    Nach einiger Zeit erwachte er aus einem gnädigen Dämmerzustand und spürte, wie jemand seinen Kopf anhob und eine Stelle knapp über seinem Nacken abtastete. Die Stimmen, die nun dicht bei ihm aufklangen, benutzten eine ihm unbekannte Sprache. Für einen Augenblick befürchtete er, doch im Jenseits zu sein, dann erinnerte er sich, dass er nach Italien gereist war. Der Gedanke ließ ihn aufstöhnen. Sogleich flatterten erregte Worte um ihn herum und mehrere Hände fassten nach ihm. Er war zu schwach, um mehr als einen Finger zu bewegen, und zitterte unter der Wucht der Erinnerungen, die in ihm hochquollen.
    Sein Vater hatte ihn nach Italien geschickt, um Caterina zu verfolgen. So war er über Füssen, Landeck und Meran gereist, ohne auch nur eine Spur von ihr entdecken zu können. Deswegen hatte er sich entschlossen, zu jenem Ort weiterzureiten, an dem der alte Eldenberg sein Soldatenlager aufgeschlagen haben sollte. Auch wenn er sich vor einer Begegnung mit diesem Berufstotschläger fürchtete, erschien es ihm besser, Caterinas Vater seine Bewerbung vorzutragen, anstatt eine widerwillige Braut unterwegs abzufangen und nach Schwaben zurückzuschleppen. Dann war etwas geschehen, das sich ihm jetzt noch entzog. Aus irgendeinem Grund lag er nun auf einem harten Bett, und sein Schädel fühlte sich an, als hätte eine Rotte Höllenteufel ihn als Trommel benutzt. Es strengte ihn so an, darüber nachzudenken, dass er erneut wegdämmerte.
    Als er das nächste Mal erwachte, fühlte er sich kräftiger, und es gelang ihm, die verklebten Augen zu öffnen. Nun sah er, dass er im Innern einer kleinen, aus Bruchsteinen errichteten Kate lag, die an einer der beiden Längsseiten zwei winzige Luftlöcher hatte, die wohl Fenster darstellen sollten. Diese waren jedoch so klein, dass die Bewohner die Tür offen stehen lassen mussten, damit man drinnen mehr als die Hand vor Augen sehen konnte. Eine primitive Herdstelle aus Bruchsteinen, eine Platte aus grob gehobelten Brettern, unter der Steine die Tischbeine ersetzten, und Matten anstelle von Stühlen bildeten die kärgliche Einrichtung. Außer seinem Lager gab es noch zwei weitere Schlafstellen, die aus grob gewebten Decken und einer Lage großer Blätter bestanden. An der Wand war eine Art Bord befestigt, in dem Teller und Schüsseln steckten, und von der Decke hingen Säckchen, die wohl Lebensmittel enthielten und auf diese Weise vor Mäusen und anderen Schädlingen geschützt werden sollten. Außen musste ein Ziegenstall an die Hütte angebaut sein, denn er hörte das Meckern einer Geiß.
    »Warum bin ich hier?« Es waren die ersten Worte, die er sprach, und sie kratzten so stark in seiner Kehle, dass ihm die Töne wehtaten.
    Jemand schien ihn gehört zu haben, denn ein Mädchen von vielleicht zehn Jahren kam herein. Sie war mit einem knielangen, dunklen Rock und einer Bluse aus knotigem, ungebleichtem Leinen bekleidet und redete in einer ihm unbekannten Sprache auf ihn ein. Da er sie nicht verstand, führte er die Hand mit zittrigen Bewegungen zum Mund und machte die Geste des Trinkens. Das Mädchen lächelte, nickte heftig und lief hinaus. Einen Augenblick später kam es mit einem irdenen Krug zurück und hielt ihn ihm an die Lippen. Kühles, erfrischendes Wasser füllte tropfenweise seinen Mund, aber trotz der Vorsicht des Kindes war er so kraftlos, dass er sich bei jedem Atemzug verschluckte. Daher schob er das Gefäß nach kurzer Zeit zurück und bedankte sich krächzend.
    Das Mädchen stellte den Krug so hin, dass er nach ihm greifen konnte, kratzte sich am Kopf und lief nach einem zwitschernden Wortschwall hinaus. Seinen

Weitere Kostenlose Bücher