Die Löwin
Wasser und Brot. Der Schwabe wand sich innerlich, weil er dem Neffen seines ermordeten Anführers in diesem Fall Recht geben musste. »Jeder muss klein anfangen, es sei denn, er wäre ein Fürst oder König. Seid Ihr ein solcher, Signore?«
Rodolfo schüttelte lächelnd den Kopf. »Gewiss nicht! Eigentlich bin ich nur der Neffe zweier Herren, von denen der eine mich verstoßen hat, während der andere genügend Einfluss besaß, um mir den Rang eines Grafen verleihen zu lassen. Diese Würde ist jedoch so hohl wie eine taube Nuss, denn sie besteht nur auf dem Papier und ist weder mit Land noch mit anderen weltlichen Gütern unterfüttert. Im Grunde stellt mein Titel eine Bürde dar, denn jedermann misst ihm mehr Bedeutung zu, als ihm in Wahrheit zukommt.«
Borelli lachte erleichtert auf, mit diesen Worten hatte der Mann sich einen Bärendienst erwiesen. »Mir dünkt, es steckt wohl gar nichts hinter Euch als heiße Luft!«
Rodolfo lächelte sanft, obwohl er Borelli lieber die Faust unter die Nase gehalten hätte. »Es wird sich zeigen, für was ich stehe. Auch Ihr habt Eure Fähigkeiten bisher nur unter der Anleitung Eures Oheims entfaltet.«
»Das ist mehr, als Ihr von Euch sagen könnt! Hans Steifnacken und die anderen können bezeugen, dass ich mich in mehr als einer Schlacht wacker geschlagen habe. Doch was habt Ihr getan? Mit den Mädchen getändelt, Wein getrunken und edle Taten von anderen vollbringen lassen!« Borelli war aufgesprungen und funkelte Rodolfo nun herausfordernd an. Seine Hand glitt zum Schwertgriff, und für Augenblicke schien es so, als käme es zu einem Zweikampf.
Caterina sah, dass Steifnacken den Mund öffnete, und ahnte, dass der Schwabe den Streit zwischen ihrem Vetter und dem Gast weiter anfachen wollte, in der Hoffnung, auf diese Weise beide ausschalten zu können. Deswegen schlug sie mit der flachen Hand auf den Tisch. »Die Herren Kampfhähne mögen ihre aufgeplusterten Federn wieder glatt streichen. Dies hier ist mein Zelt und ihr sitzt an meiner Tafel! Also erwarte ich von euch höfliches Benehmen. Oder ist es in Italien Sitte, sich bei einem Gastmahl wie betrunkene Raufbolde aufzuführen?«
Borelli hatte sichtlich an dem scharfen Tadel zu kauen, Rodolfos Augen aber blitzten fröhlich auf. Monte Eldes Tochter besaß also doch Temperament, und zwar ein sehr hitziges. Das machte sie ihm mit einem Mal sympathisch. Bisher hatte er sie für eine der kühlen und von ihrer Wichtigkeit erfüllten deutschen Frauen gehalten, wie er sie aus dem Gefolge hoher Herren kannte, welche nach Rom reisten und auf dem Weg dorthin in Molterossa Station machten. Diese Caterina hingegen trug ihren Vornamen nicht zu Unrecht, denn in ihren Adern floss das Blut einer Italienerin.
»Verzeiht meine unbedachten Äußerungen, Signorina. Ich wage Euch vor Scham kaum mehr ins Gesicht zu sehen.« Sein bewundernder Blick strafte seine Worte Lügen, nahm ihnen aber nicht die Wirkung. Caterina lächelte ihm versöhnlich zu, während Borelli an seiner Wut zu ersticken drohte.
Hans Steifnacken betrachtete seine Herrin mit neuen Augen. So resolut und zungenfertig hatte er sie noch nicht erlebt, und die Art, wie sie Borelli zurechtgewiesen hatte, tat seinem geschundenen Gemüt wohl. Sie schien eine würdige Tochter Monte Eldes zu sein. In diesem Augenblick schwor er sich, alles zu tun, um ihre Rechte zu wahren, und wenn er sein Leben dafür opfern musste. Vor allem würde er so bald wie möglich mit ihr reden müssen, um ihr all das mitzuteilen, was ihm von den Plänen und Absichten ihres Vaters bekannt war. Die Eiserne Kompanie musste getreu dem Vermächtnis Monte Eldes geführt werden und durfte nicht dem alleinigen Nutzen eines Fabrizio Borelli dienen.
Während Hans Steifnacken nachsann, wie er Caterina überzeugen konnte, ihren Vetter zum Teufel zu jagen, wurde das Gespräch um ihn herum immer lauter. Borelli und die anderen Offiziere prahlten mit ihren zu Heldentaten hochstilisierten Kriegserlebnissen, als wollten sie den noch unerfahrenen Gast verspotten. Da Rodolfo sich jedoch nicht herausfordern ließ, erlosch der Eifer der meisten, und die Rede kam auf die derzeitige Situation in Italien, die nach Ansicht einiger Offiziere durch die Eroberungen des Mailänder Herzogs in eine arge Schieflage geraten war.
»Visconti ist wie ein Wolf, der ganz Norditalien verschlingen will und auch nicht vor dem heiligen Rom Halt machen wird«, rief der Flame de Lisse in einem Ton höchsten Abscheus aus.
Das konnte Rodolfo
Weitere Kostenlose Bücher