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Die Löwin

Die Löwin

Titel: Die Löwin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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nicht unwidersprochen stehen lassen. »Ihr nennt Herzog Gian Galeazzo einen Wolf? Ganz Italien besteht doch aus Wölfen, die einander an die Kehle gehen und auffressen, wenn es möglich ist. Seit vielen Jahren herrscht Chaos in unserem Land, denn es gibt keine Macht, die Ordnung und Frieden garantieren kann. Zwar ist der Kaiser nominell der Herr über den Norden, aber er hält sich weit jenseits der Alpen auf und ist in zu viele andere Händel verstrickt, um hier eine entscheidende Rolle spielen zu können. Das Papsttum hat sich durch den Streit mit den Kaisern erschöpft und ist nicht einmal in der Lage, die Gebiete um Rom zu kontrollieren. Jede Stadt und jeder Herr über ein Fleckchen Erde geht eigene Wege, ob es nun in Bologna die Familie Bentivoglio ist, die Familie Montefeltro in Urbino oder auch mein Oheim in Molterossa. Sie alle sind Lehensleute des Heiligen Stuhls, streben aber nur nach persönlichem Vorteil und denken nicht über ihren Tellerrand hinaus. Mein Oheim bemüht sich wenigstens noch, diesen Haufen blökender Hammel zu einer Herde zu vereinen, die dem Visconti widerstehen kann, aber seine Chancen stehen alles andere als gut.
    Noch schlimmer sieht es in den Gebieten zwischen Milano, Firenze und Venezia aus. Dort gibt es mehr als hundert Signorien, Republiken und andere Herrschaftsgebiete, deren Herren einander bekämpfen, während in ihrem Innern Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind und ihre großen Geschlechter sich gegenseitig ausrotten.
    Ihr, Signorina, habt vielleicht schon die Geschlechtertürme der Städte gesehen«, wandte Rodolfo sich direkt an Caterina. »Jeder stellt eine Festung dar, die einer Familie gehört, welche mit den anderen Sippen der Stadt um die Vorherrschaft kämpft. In der einen Stadt sind es altadelige Geschlechter, die um jeden Pflasterstein und jede Straßenecke ringen, anderenorts wie in Firenze sind es die Krämerfamilien der Albizzi und Medici. Giftmorde, Verrat und das Aufhetzen des Mobs zählen zu den meistgeübten Künsten in diesem Land, und je raffinierter und grausamer es sich abspielt, umso besser erscheint es den Herren. Ein so plumper Mord wie der an Euren Verwandten, Signorina, ist vielleicht einem geistlosen Capitano del Popolo irgendeiner unbedeutenden Stadt zuzutrauen. Doch einen Visconti oder Legrelli beleidigt allein schon der Verdacht, denn diese beherrschen wahrlich subtilere Methoden, um sich ihrer Feinde zu entledigen.«
    »Seid Ihr auch so eine Methode Viscontis, seine Feinde auszuschalten?« Diesen Einwand vermochte Steifnacken sich nicht zu verkneifen.
    Rodolfo maß ihn mit einem verärgerten Blick und richtete seine Worte wieder an Caterina. »Italien braucht jemand, der die Selbstzerfleischung und das Blutvergießen beendet. Gian Galeazzo Visconti ist dieser Mann. Seht Euch nur das Land an, das er sich geschaffen hat. Anders als im restlichen Italien herrschen im Herzogtum Mailand Ordnung und Recht! Signorina, wenn Ihr doch nur bereit wärt, mit Visconti zu sprechen. Er würde Euch reich belohnen und als Mitgift gewiss ein Lehen geben, das Euch als Enkelin des Marchese Olivaldi eine standesgemäße Heirat ermöglichen wird.«
    Borelli sprang auf, ließ den Finger seiner rechten Hand auf Rodolfo zuschnellen und schrie ihn mit überschnappender Stimme an. »Ihr wollt Euch doch nur bei Caterina einschleimen, um Euer wertloses Grafenwappen zu vergolden!«
    Rodolfo wischte sich mit dem Ärmel die Speichelspuren ab, die in sein Gesicht gesprüht waren. »Ihr habt eine arg feuchte Aussprache, Signore, die nicht jedermanns Geschmack ist. Wären wir nicht bei einer Dame zu Gast, müsste ich Euch lehren, das nächste Mal etwas vorsichtiger zu sprechen.«
    »Ihr solltet Euch wirklich ein wenig im Zaum halten, Vetter!« Caterina hatte ebenfalls ein paar Tröpfchen abbekommen und musste ihren Ekel unterdrücken, sie fühlte sich beschmutzt und wäre am liebsten aufgestanden, um sich gründlich zu waschen. Gleichzeitig fragte sie sich, wie ihr Vetter die Kompanie führen wollte, wenn er schon bei kleinen Wortgefechten die Beherrschung verlor.
    Borelli begriff, dass ihm das Vertrauen Caterinas zu entgleiten drohte, und er versuchte, sie wieder für sich einzunehmen. »Verzeiht mir, liebste Base, dass ich Euch verärgert habe! Ihr solltet aber auch meinen Standpunkt verstehen. Dieser junge Gimpel hier, dem noch kein schärferes Lüftchen um die Ohren geweht ist, stellt sich Euch dar, als wäre er der Neffe des Mailänder Herzogs persönlich. Dabei ist er

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