Die Löwin
auffallen.«
»Außer durch die langen Beine und kurzen Arme des einen und die langen Arme und kurzen Beine des anderen.« Der Spott ging weiter, und Caterina konnte nur hoffen, dass Steifnacken und Botho die Ruhe bewahrten. Als immer mehr Wein aufgetischt wurde, blieb auch sie von spöttischen Reden nicht verschont.
Ein Condottiere der Visconti, den man ihr als Perino di Tortona vorgestellt hatte, drehte sich grinsend in ihre Richtung. »Erlaubt eine Frage, Signorina. Nennt man Eure Kompanie die Eiserne wegen der Güte Eurer Stricknadeln?«
Caterina zählte lautlos bis fünf und lächelte so freundlich wie eine Spinne, die dabei ist, ihr Opfer einzuwickeln. »Verzeiht, Signore Perino, aber seid Ihr es nicht selbst gewesen, der meiner Kompanie diesen Beinamen gab? Das war doch nach der Schlacht bei Brescia vor sieben Jahren, in der Ihr von meinem Vater so arg verdroschen worden seid, dass Ihr sechs Wochen gebraucht habt, um die versprengten Überlebenden Eurer Truppe wieder einzusammeln!«
In diesem Augenblick war Caterina froh um Biancas Anwesenheit im Lager, denn die einstige Mätresse hatte ihr während der letzten drei Wochen viele Anekdoten über ihren Vater erzählt. Da die junge Italienerin längere Zeit mit der Truppe mitgezogen war, wusste sie gut über das Kriegswesen Bescheid und hatte ihr schon mehrmals mit guten Ratschlägen beistehen können.
»Mit dem Mundwerk kämpft Ihr gut! Mit blanken Waffen sieht die Sache jedoch ganz anders aus. Ihr mögt vielleicht auf dem Stuhl Eures Vaters sitzen, in seinen Stiefeln aber steckt Ihr gewiss nicht, und Ihr werdet noch merken, dass eine Truppe ohne guten Anführer nicht mehr wert ist als eine Schlange ohne Kopf. Ich habe übrigens mehrere ehemalige Offiziere Eures Vaters in meine Dienste genommen, darunter auch Euren Vetter Fabrizio Borelli. Der Mann ist so sehr auf Euer Blut aus, dass ich ihn nicht mit nach Pisa bringen konnte, sondern im Lager lassen musste.« Mit diesem seiner Meinung nach schmerzhaften Stich gegen Caterina gab Perino di Tortona den verbalen Zweikampf auf und widmete sich wieder seinen Nebenmännern und dem goldenen Weinpokal, den ein aufmerksamer Page mit köstlichem Toskaner füllte.
Für Caterina war es keine große Überraschung zu erfahren, dass ihr Vetter so rasch einen neuen Capitano gefunden hatte, und sie dachte spöttisch daran, dass dieser raffgierige Betrüger sich nun mit einer geringeren Stellung bescheiden musste, als er sie bei ihrem Vater eingenommen hatte. Seine Träume, selbst Capitano zu werden, würde er eine Weile auf Eis legen müssen. Sie wünschte diesem verlogenen Kerl, keines seiner Ziele je zu erreichen, und fragte sich angesichts der an diesem Tag geleisteten Schwüre, was in der Mordnacht wirklich geschehen war. Hatte Borelli tatsächlich nichts gesehen? Oder hatte er die Mörder beobachtet und nur den Mund gehalten, um aus diesem Wissen Kapital schlagen zu können? War er zurückgeblieben, weil er die Gefahr erahnt oder sogar gekannt hatte? Sie wünschte sich, den Mann noch einmal in die Hände zu bekommen und ihn von ihren Leuten gründlich verhören und notfalls sogar foltern zu lassen, bis er all sein Wissen preisgegeben hatte. Aber da die Visconti-Seite offensichtlich ausschied und deren Feinde erst recht keinen Grund gehabt hätten, Francesco di Monte Elde tot zu wissen, kamen wohl doch nur einfache Räuber in Frage. Caterina schüttelte es bei dem Gedanken, ein Kriegsheld wie Franz von Eldenberg könne auf eine so schmähliche Weise ums Leben gekommen sein, und nahm sich vor, alles zu tun, um die wahren Mörder zu finden. Doch ihr war klar, wie gering ihre Möglichkeiten waren, und sie knirschte in hilfloser Wut mit den Zähnen.
Damit gab sie ihrem Nachbarn zur Linken die Gelegenheit, sie anzusprechen. »Ärgert Ihr Euch über Tortona, Signorina? Das lohnt sich nicht! Er ist ein Hund, der jeden anbellt und den man einfach übersehen sollte.«
Caterina blickte auf und sah den Mann an, dem sie bisher noch keine Beachtung geschenkt hatte. Er war noch kein Greis, mochte die Mitte seines Lebens aber bereits hinter sich gelassen haben. Seine Gestalt war etwas untersetzt, sein Gesicht kantig und das Haar an den Schläfen leicht ergraut. Mit seiner schlichten und eher auf Bequemlichkeit zugeschnittenen Kleidung, die aus ledernen Hosen, einem Hemd aus gebleichtem Leinen und einer vorne offen stehenden ärmellosen Weste mit ledernen Schlaufen bestand, unterschied er sich angenehm von den pfauenhaft
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