Die Löwin
warum sie den Herzog von Mailand ebenso fürchtete wie hasste. Sie empfand ihn als persönliche Bedrohung und war immer noch überzeugt, dass er indirekt die Schuld am Tod ihres Vaters trug. Die Eide schlossen schließlich nicht aus, dass der Anstifter der Morde ein Anhänger des Mailänders gewesen war, der seinem Herrn einen Dienst hatte erweisen wollen. Aber mehr noch verabscheute sie die Mailänder Viper wegen der aussichtslosen Situation, in die diese sie manövriert hatte. Es war noch schlimmer als jene Nacht, in der sie sich in der Gewalt Hartmann Trefflichs befunden hatte und die in ihren Albträumen immer wiederkehrte. Wieder fühlte sie sich der Macht eines Mannes ausgeliefert, dem ihr Wort nichts galt.
Ihr Vertrag mit Pisa war unter den hier herrschenden Umständen das Pergament nicht mehr wert, auf dem er geschrieben war, und was den geheimen Vertrag mit dem Herzog von Molterossa anging, so war sie bisher nicht einmal über den Inhalt informiert worden, denn sein Neffe Amadeo Caetani hatte ihr nichts Genaues darüber sagen können. Kurz vor dem Fest war Angelo Maria Visconti auf sie zugetreten und hatte ihr angeboten, ihr die Kompanie abzukaufen – oder vielmehr das, was noch davon übrig war. Seine Worte hatten freundlich geklungen und waren sehr diplomatisch gesetzt gewesen, und doch hatte sie ganz deutlich herausgehört, wie wenig ernst der Mann sie nahm.
»Blutiger Hund!«, entfuhr es ihr bei der Erinnerung. Der Fluch erschreckte Iacopo Appianos jüngeren Sohn Gherardo Leonardo, der zu ihrer Rechten saß.
»Was habt Ihr gesagt, Signorina?«
»Oh, nichts!« Caterina zwang ein Lächeln auf ihre Lippen, das genauso falsch war wie die Trauer um ihren Vater, die Legrelli jedem, der ihm nicht rasch genug entkam, wortreich unterbreitete. In Wahrheit war das Stadtoberhaupt von Mentone froh über den Zusammenbruch der einst so ruhmreichen und gefürchteten Compagnia Ferrea, und er war nicht der Einzige, der so dachte. Auch die anwesenden Visconti-Leute konnten ihre Freude kaum verhehlen und ergingen sich in Sticheleien gegen die Männer, die Caterina begleiteten. Da der Mangel an Offizieren nicht durch eine gütige Fee mit einem Schwenk ihres Zauberstabs behoben worden war, hatte sie sich gezwungen gesehen, Biancas Brüder zu Anführern zu machen, obwohl beide noch keine zwanzig Jahre zählten und mit dem Kriegshandwerk noch weniger vertraut waren als mit der Kunst, farbenprächtige Blumen in Seide zu sticken – eine Tätigkeit, bei der sie ihrer Schwester hatten zusehen können. Auch Hans Steifnacken hatte nachgeben und den Rang eines Offiziers annehmen müssen, allerdings nicht den ihres Stellvertreters. Als dieser galt, wenigstens nach außen hin, Amadeo Caetani, der Neffe des Herzogs von Molterossa, der ihr in seinen verzweifelten Bemühungen, die Kompanie für seinen Onkel zu retten, seine Hilfe angeboten hatte. Zu Caterinas nicht geringem Ärger nahm auch dessen Vetter Rodolfo an diesem Fest teil. Er saß ihr schräg gegenüber und schien sich köstlich zu amüsieren.
Als letzten neuen Offizier hatte Caterina schlussendlich Botho Trefflich bestimmt, der sehr erleichtert gewesen war, keine Knechtsdienste leisten zu müssen. Doch allein für die Ausrüstung und die beiden Pferde, die er erhalten hatte, würde er ihr mehr als ein Jahr lang dienen müssen, und sie hatte nicht vor, ihm eine Stunde davon zu erlassen. Jetzt war Botho von einem heimtückischen Zeremonienmeister genau neben Steifnacken platziert worden, den er auch im Sitzen noch um die doppelte Haupteslänge überragte. Das Arrangement war mehr als unglücklich, denn es reizte etliche Mailänder Offiziere zu spöttischen Bemerkungen. Zwar saßen diese wie Caterinas Männer ein ganzes Stück weiter unten an der Tafel, aber da sie ihren Stimmen keine Zügel anlegten, vernahm Caterina ihre Anzüglichkeiten nur allzu deutlich.
»Wisst ihr, Signori, dass ihr beim Einritt in die Stadt ein geradezu prachtvolles Bild abgegeben habt? Bei dem einen von euch endete der Kopf, wo bei dem anderen der Sattel begann. Vielleicht solltet ihr besser eure Pferde tauschen.«
»Das wird kaum machbar sein, denn dieser Bulle von einem Tedesco kann nur von solch einem Elefanten getragen werden, wie er ihn jetzt reitet«, warf ein anderer Visconti-Mann ein.
»Schade, dass man die beiden nicht an der Taille auseinander schneiden und anders wieder zusammensetzen kann. Dann wären sie gleich groß und würden unter normal gewachsenen Männern nicht mehr so
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