Die Löwin
Caterinas Worte lauthals nur als kurzfristigen Fehlschlag zu werten. Wie es aussah, wollte der Mann sich noch einmal mit aller Kraft ins Gefecht werfen.
Rodolfo lachte leise vor sich hin, als er sich vorstellte, wie Caterina sich gegen Ugolinos Zudringlichkeiten zur Wehr setzen musste. Am liebsten hätte er Malatesta zum Teufel gejagt und es selbst übernommen, die spröde Tedesca zu umwerben. Sie war auch nur eine Frau, und wo so ein angeberischer Tölpel versagte, würde er mit Sicherheit zum Ziel kommen. Aber die Chance dafür hatte er sich selbst verdorben, indem er Caterina gegenüber zugegeben hatte, arm zu sein, und zudem galt er als Mann Viscontis. Er ärgerte sich nun über sich selbst, denn bei seinem Besuch in Caterinas Lager hätte er wohl noch die Möglichkeit gehabt, das Blatt zugunsten seines Auftraggebers zu wenden. Mit einem unwirschen Kopfschütteln beschloss er, in den Bankettsaal zurückzukehren, um Malatestas Bemühungen zu beobachten. In dem Moment löste sich ein Schatten aus dem Halbdunkel einer Türnische.
Rodolfos Hand flog zum Schwertgriff, doch ein amüsiertes Auflachen ließ ihn innehalten. »Mariano? Du?«
»Derselbe und in eigener Person.« Mariano Dorati trat in den Schein der Kerzen und grinste Rodolfo an. Er war zwei Jahre älter als sein adeliger Freund und ebenso groß wie dieser, jedoch von hagerer Statur. Obwohl er Rodolfos Stellvertreter bei dessen kleiner Söldnertruppe war, reichte sein Ansehen nicht aus, um zu einem Bankett dieser Art geladen zu werden. Daher hatte er die Gelegenheit genützt, seine Augen und Ohren offen zu halten, und dabei die drei Gesprächspartner und Caterinas Auftritt belauscht.
»Ich glaube kaum, dass Malatesta Erfolg haben wird, Rodolfo. Ich kenne die Deutschen. Sie haben feste Prinzipien und halten daran so stur fest wie Ochsen, die nur einen einzigen Weg gehen wollen, auch wenn der Treiber seinen Stachelstab noch so einsetzt. Allerdings vergönne ich es diesem aufgeblasenen Kerl, der so tut, als wäre er der beste Condottiere seit John Hawkwood und Alberico di Barbitano. Unser Herr, der Marchese, wird verdammt wütend sein, denn er hat geglaubt, die Eiserne Kompanie mit einem Fingerschnippen erledigen lassen zu können – und jetzt ist alles noch schwieriger geworden.«
Rodolfo hieb mit einer ärgerlichen Geste durch die Luft. »Er hätte an Ugolino Malatestas Stelle einen intelligenteren und charmanteren Mann nehmen müssen, zum Beispiel den Vetter des Grafen von Mantua.«
»Der ist aber nicht hergekommen – und niemand weiß, ob er sich wirklich auf die Seite Gian Galeazzo Viscontis stellen wird.«
»Auf unsere Seite«, korrigierte Rodolfo seinen Freund.
Mariano Dorati schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich weiß nicht, ob du dir nicht Illusionen machst. Es ist die Seite Viscontis. Wir kämpfen für ihn, weil unser Herr derzeit sein Verbündeter ist. Doch an deiner Stelle würde ich nicht allzu viel auf Olivaldis Treue zu Mailand geben. Er hat sich nicht mit Gian Galeazzo Visconti verbündet, weil er an ihn glaubt, sondern weil er sich mit dem Papstnepoten Salvatore Tomacelli überworfen hat. Sobald Seine Heiligkeit Bonifacio seinen Neffen zurechtweist und Olivaldi Genugtuung gewährt, wird der Marchese wieder umschwenken – das ist in meinen Augen so sicher wie das Amen in der Kirche.«
Rodolfo zischte einen sehr unanständigen Söldnerfluch. »Italien braucht eine starke Hand, die die kleinen verfeindeten Kleinfürsten und Republiken vereint und Frieden und Ordnung schafft. Eine gute Sache aus einer Laune heraus wieder im Stich zu lassen halte ich für grundfalsch!«
Sein Freund winkte lachend ab. »Du sprichst mir zu viel von deinem Italien, mein Guter, und tust dabei so, als wäre es ein Land von Brüdern. Ich sehe es nur als geographischen Begriff, so wie Spanien, in dem es mit Portugal, Kastilien, Navarra und Aragon auch verschiedene Länder gibt, von den Mauren in Granada ganz zu schweigen. Ich bin wie du ein Romagnole und vermag mich als solcher mit den Leuten aus der Toskana, der Lombardei und Umbrien noch halbwegs zu verständigen. Bei den Venezianern kann ich gerade noch verstehen, was sie wollen. Ebenso ergeht es mir in Rom. Wenn ich aber einen Ligurer, Piemontesen oder gar Neapolitaner reden höre, frage ich mich, wo dein Italien sein soll. Von der Sprache her stellt es gewiss keine Einheit dar! Oder hast du vergessen, wie viele Befehle wir in unserer Truppe auf Deutsch geben müssen, damit die Kerle sie nicht
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