Die Löwin
geschüttelt hatte. Stattdessen beschlich sie, als Biancas füllige, aber durchaus wohlgeformte Gestalt vor ihrem inneren Auge auftauchte, wieder das seltsame, vorher nie gekannte Gefühl, das sie zum ersten Mal beim gemeinsamen Bad empfunden hatte. Es war ein leichtes Ziehen unterhalb des Magens, irgendwie erschreckend und doch nicht unangenehm. Nur konnte sie es nicht einordnen und versuchte ihre Gedanken schnell auf etwas anderes zu richten.
Das gelang ihr erst, als der Bote des neuen Quartiermeisters zurückkehrte, den sie vorausgeschickt hatte, damit er das Lager für die heutige Nacht in Augenschein nehme. Der Mann kam ihnen fröhlich lachend entgegen und meldete, dass alles bereitstünde. Außerdem brachte er die Nachricht, Ugolino Malatesta habe seine Kompanie schon in Marsch gesetzt. Damit war der Wettlauf nach Rividello eröffnet.
Caterina nahm die Botschaft mit unbewegter Miene entgegen und winkte Amadeo, zu ihr aufzuschließen. »Eines verstehe ich nicht: Wir sind näher an Rividello als Malatesta und würden die Stadt in jedem Fall vor ihm erreichen, wenn wir direkt auf sie zuhalten. Daher frage ich mich, warum wir all diese Umwege machen sollen, die Euer Oheim von uns fordert. Es wäre doch weitaus besser, Rividello so rasch wie möglich zu besetzen.«
Amadeo sah sie mit dem Blick eines Mannes an, der ein unverständiges Kind vor sich hat. »Signorina, wo denkt Ihr hin? Wenn wir unsere Absicht zu deutlich erkennen lassen, würden wir zwar vor Malatestas Truppen bei Rividello sein, aber nicht in der Stadt. Die dortigen Visconti-Anhänger würden nämlich bei der Nachricht von unserer Annäherung die Herrschaft an sich reißen und die Tore vor uns verschließen, so dass wir den Ort belagern müssten. Eine Truppe, die vor den Mauern einer Stadt liegt, ist so gefährdet wie keine andere, da sie unweigerlich zwischen das Entsatzheer und die ausfallenden Truppen geraten wird.«
»Dann müssen wir Rividello eben erreichen, ohne dass die Visconti-Leute es dort erfahren – falls das möglich ist!«
Amadeo seufzte und machte ihr dann wortreich klar, dass es nicht allein um die Anhänger des Mailänder Herzogs in jener Stadt ging, sondern auch um deren Verbündete in den umliegenden Gebieten. Wenn es diesen gelang, in die Stadt einzudringen, würden sie Viscontis Freunden helfen, die Macht zu ergreifen. »Genau das müssen wir verhindern. Aus diesem Grund werden wir uns Rividello auf Umwegen nähern, damit sich jede dem Visconti zuneigende Partei in den Nachbarorten und darüber hinaus bedroht sehen muss. Erst dann, wenn wir noch einen oder zwei Tagesmärsche entfernt sind, bewegen wir uns so schnell wie möglich auf die Stadt zu, in der Hoffnung, dass unsere Verbündeten stark genug sein werden, uns die Tore offen zu halten.«
Caterina stand ins Gesicht geschrieben, wie wenig sie von dieser Art der Kriegsführung hielt. Gewohnt, geradlinig zu denken, erschien ihr dieses Vorgehen verquer. Aber wenn die Kriege hier immer so geführt wurden, musste sie sich das irgendwie zunutze machen.
»Wie viele Krieger wären nötig, um in einer Stadt wie Rividello die Macht zu ergreifen und sie für mehrere Tage gegen ein Heer wie das von Malatesta halten zu können?«
Amadeo hob in einer hilflosen Geste die Hände, doch inzwischen war Steifnacken nach vorne getreten, um zu erfahren, was der Bote gemeldet hatte. Er vernahm Caterinas Frage und begriff, worauf sie hinauswollte. »Nicht mehr als fünfzig oder sechzig Lanzen, vorausgesetzt, man macht ihnen das Tor auf. Es müssten die schnellsten Reiter sein, und man sollte die Möglichkeit haben, den Blick der Visconti-Leute von ihnen abzulenken.«
»Das wird deine Aufgabe sein, mein Guter! Wähle die besten Reiter aus und stelle sie zu zwei Fähnlein zusammen. Eine soll Friedel anführen, die andere Camillo di Rumi.«
»Aber das ist doch Wahnsinn!«, rief Amadeo entgeistert aus.
»Der ganze Krieg ist Wahnsinn«, antwortete Caterina, deren Gedanken bereits in die Zukunft eilten.
10.
R odolfo d’Abbatis Hoffnung, Ugolino Malatesta könne vergessen haben, dass sie in Pisa aneinander geraten waren, oder lege der Sache keine Bedeutung bei, zerstob bereits beim ersten Blick in das hämisch grinsende Gesicht des älteren Condottiere. War die Aussicht, von seinem Anführer gehasst zu werden, schon niederschmetternd genug, so befand er sich jetzt auch noch in der Gesellschaft einiger Leute, die er auch vorher schon hinter den Mond gewünscht hatte.
Für Lanzelotto
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