Die Löwin
Aniballi war der Schwur Angelo Maria Viscontis, sein Verwandter Gian Galeazzo sei am Tode Monte Eldes unschuldig, das Zeichen gewesen, in dessen Dienste zu treten, um ebenfalls einen Teil an der zu erwartenden Beute zu ergattern. Um nicht als einfache Ritter behandelt und mit Gold abgespeist zu werden, hatten er und seine Freunde dreißig Lanzen aufgestellt, als deren Anführer er nun galt. Eigentlich hatte er sich Henry Hawkwood anschließen wollen, doch da er die Eiserne Kompanie am besten kannte, hatten die Vertrauten des Mailänder Herzogs ihm befohlen, sich unter Malatestas Befehl zu stellen. Zu dessen Offizieren zählte seit neuestem auch Fabrizio Borelli, den Perino di Tortona seinem Freund Malatesta zur Verfügung gestellt hatte. Caterinas Vetter galt ebenfalls nur als Anführer von dreißig Lanzen, zählte aber in kürzester Zeit zu den vertrauten Freunden des Capitano-Generals.
Dafür ignorierte Ugolino Malatesta Rodolfo d’Abbati in beleidigender Weise, obwohl dieser ein eigenständiger Condottiere mit fünfzig Lanzen und ihm nur für diesen Kriegszug unterstellt war. Am Abend zuvor hatte es ein paar dumme Bemerkungen gegeben, und so saß Rodolfo wie eine Fleisch gewordene Gewitterwolke auf seinem Pferd und atmete den Staub ein, den die knapp tausend Reiter des Haupttrupps und die Maultiere des Trosses aufgewirbelt hatten. Die Gegend, durch die sie zogen, war flach, und der knochentrockene Boden strahlte die Hitze aus, mit der die Sonne das Land versengte.
Mariano Dorati, der neben Rodolfo ritt, wischte sich stöhnend den Schweiß von der Stirn. »Es wird Zeit, dass wir wieder über Bergstraßen ziehen. Dort oben ist es doch ein wenig kühler.«
»So schnell werden wir nicht in die Berge kommen«, antwortete Rodolfo. »Malatesta will an Bologna vorbei in die Gegend von Ravenna oder Faenza marschieren und vielleicht sogar die Adria erreichen, bevor er sich dann in Richtung Arezzo oder Perugia wendet.«
Mariano lachte ärgerlich auf. »Welch eine Verschwendung von Tagen! Wir könnten Rividello in der Hälfte der Zeit erreichen und hätten es eingenommen, bevor dein Onkel auch nur reagieren kann.«
»Ich glaube, du unterschätzt den alten Herrn. Er mag zwar ein sturer Bock sein, aber er hat verdammt viel in seinem Kopf. Er weiß, was er will, und eines will er gewiss nicht, nämlich Viscontis Farben über den Türmen von Rividello sehen.« Rodolfo wusste selbst nicht, weshalb er seinem Freund widersprach, denn er hatte Malatesta am gestrigen Abend den gleichen Vorschlag gemacht. In seinen Augen wäre ein schneller Schlag gegen Rividello das Klügste.
»Wahrscheinlich hast du sogar Recht«, gab er dann aber zu. »Mein Onkel verfügt nicht über Truppen, die er nach Belieben verschieben kann. Er müsste schon seine Garde in Marsch setzen, und das tut er nicht, weil er seine Stadt nicht entblößen darf. Anders wäre es, wenn er über Attendolos Kompanie verfügen könnte, die in Perugia liegt.«
Mariano kratzte sich kurz am Kopf und überlegte. »Es gibt eine Truppe, die er schicken kann, die Compagnia Ferrea. Dort, wo sie jetzt liegt, hat sie einen weitaus kürzeren Weg nach Rividello als wir.«
Rodolfo winkte lachend ab. »Mein Guter, ich habe mir angesehen, was aus den Eisernen geworden ist, nachdem der Truppe die erfahrenen Offiziere weggelaufen sind. Sie gleicht einem Bullen ohne Kopf! Nein, die stellt keine Gefahr mehr für uns dar.«
»Dein Wort in Gottes Ohr, Rodolfo. Doch was ist, wenn diesem Bullen inzwischen wieder ein Kopf gewachsen ist?«
Rodolfo ahmte das Kichern eines Mädchens nach. »Der Kopf einer hornlosen Färse, die nicht einmal ein Kälbchen zu schrecken vermag. Nein, mein Guter, die Compagnia Ferrea ist kein ernst zu nehmender Gegner mehr. Wenn mein Oheim auf diese Truppe zurückgreifen müsste, wäre dies ein Zeichen, wie schlecht seine Lage bereits geworden ist.«
»Unterschätze die Frauen nicht, Rodolfo! Sie bestehen aus demselben Fleisch wie wir und tragen hinter ihren Stirnen einen nicht weniger scharfen Verstand!«
»Verglichen mit dir, mein Guter, mag es vielleicht stimmen!« Allein der Gedanke, eine Caterina di Monte Elde könne ihre geistigen Fähigkeiten mit den seinen messen wollen, war in Rodolfos Augen grotesk. Er lachte noch einmal auf, um seine Geringschätzung zu bekräftigen, und fragte seinen Freund dann nach Wasser, um sich die durch den Staub und die Hitze ausgetrocknete Kehle anzufeuchten.
Mariano winkte einen ihrer Leute heran, der einen bereits recht
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