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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht
Autoren: Vampira VA
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ihrer Stadt treiben konnte.
    Und doch war es, den Worten der Kreatur zufolge jedenfalls, in Regensburg geschehen. Vor etlichen Jahren schon. Als der Krieg in die Stadt gekommen war.
    Damals hatte die hiesige Sippe, gering an Zahl, in einer einzigen Stunde die Mauern ihres Herrschaftsbereichs hinter sich gelassen, als wäre jeder Stein darin mit einemmal vergiftet und jede Straße unbetretbar für Vampire geworden.
    Erst viele Jahre später, vor kurzem erst, war die Sippe, in noch kleinerer Zahl, aus dem Exil zurückgekehrt. Nachdem der Krieg schon seit langem nicht mehr unmittelbar in und um Regensburg tobte.
    Die näheren Hintergründe, derer es zum Verständnis der höchst seltsamen Angelegenheit bedurft hätte, hatte die Kreatur Lilith nicht nennen können. Es war schon erstaunlich gewesen, daß er die Geschichte überhaupt in solch groben Zügen gekannt hatte. Vielleicht ein Zeichen dafür, mutmaßte Lilith, daß die Dienste des Leichners seinem Herrn und Meister besonders wert waren .
    In der Ostengasse herrschte zu dieser Stunde wenig Betrieb. Lilith wich einem Fuhrwerk aus und ließ einen gepanzerten Reiter passieren, ehe sie auf eines der schmalbrüstigen Handwerkshäuser zuging, die sich zu beiden Seiten reihten.
    Weiter hinten, auf der Donauseite der Ostengasse, sah Lilith ein wuchtiges Bauwerk, das ein Kloster sein mochte. Daß die Vampire sich in solcher Nähe zu geweihtem Boden niedergelassen haben sollten, schien ihr eigenartig. Aber wenn die Erzählung des Leichners den Tatsachen entsprach, dann mochten die Vampire nicht wählerisch gewesen sein, was ihre neue Heimstatt betraf. Sie würden wohl in erster Linie nach einem Weg gesucht haben, um ihre verlorene oder aufgegebene Macht über die Stadt wieder aufzubauen, und der Handel mit Kriegsware konnte zunächst durchaus der einzige gewesen sein, der sich ihnen geboten hatte.
    Hinter den kleinen Fenstern des Hauses, das Lilith ansteuerte, leuchtete waberndes Licht. Einen Moment lang war sie unschlüssig, ob es klug war, ein Haus aufzusuchen, in das sie nicht unbemerkt eindringen konnte. Andererseits hatte sie so wenigstens gleich jemanden, den sie nach dem Aufenthalt der Schwarzblütigen befragen konnte .
    Eine Glocke bimmelte kläglich ins Dämmer des Raumes, als Lilith die Tür öffnete. Rasch trat sie ein, drückte die Tür hinter sich ins Schloß und sah sich auch schon nach allen Seiten um, um vor unliebsamen Überraschungen gefeit zu sein. Es kostete sie alle Mühe, sich zu solcher Aufmerksamkeit zu zwingen, denn der Durst nach dem ersehnten Elixier trübte ihr schon die Sinne.
    Die Gerätschaften und herumliegende Stoffe legten den Schluß nahe, daß sie sich in einer Schneiderei befand. In der Luft hing der Geruch von Staub und Färbemitteln - und darunter verbarg sich ein weiterer. Wie von feuchter Erde, modrig und alt - der Geruch von Tod.
    Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Womöglich spielten ihr die angespannten Sinne nur einen boshaften Streich, mit dem sie (noch) nicht zu erfüllende Hoffnung wecken wollten.
    Egal.
    »Was kann ich zu so später Stunde für Euch tun, schönes Fräulein?« fistelte da eine Stimme aus dem hinteren Teil der Schnei-derei. Halbfertige Gewänder, die an Bügeln von kreuz und quer verlaufenden Gestängen hingen, verwehrten Lilith den Blick dorthin.
    Zwischen zwei festlichen Kleidern, die für Damen der noblen Gesellschaft bestimmt sein mußten, gewahrte sie schließlich eine Bewegung, die sie zusammenschrecken ließ. Denn sie konnte nicht von dem herrühren, der sie angeredet hatte. Sondern .
    ... von einem Mädchen, das noch keine zwanzig Jahre alt sein konnte. Schön war das junge Ding, obwohl sein Gesicht schmutzig und das kastanienbraune, schulterlange Haar strähnig war. Wie von tagelanger Wanderschaft und nächtlichem Unterkommen in Ställen und Scheuern. Die Kleider des Mädchens waren abgerissen und nurmehr bessere Lumpen - und Lilith erkannte diese Kleider.
    Weil es ihre eigenen waren.
    Oder Lenas eben.
    Lilith sah in einen Spiegel - und zum allerersten Mal ein Spiegelbild.
    Ein klares, ungetrübtes Abbild ihrer selbst. Auch wenn dies nicht ihr eigener Körper war. Den nämlich hatten die Spiegel stets nur verschwommen und unscharf gezeigt. Eigentlich warfen Vampire gar kein Spiegelbild, so wenig wie einen Schatten, doch Lilith war dank ihres Vaters zur Hälfte Mensch.
    Was sie über ihr früheres Aussehen wußte, fußte allein in dem, was ihre Finger wie die einer Blinden ertasten konnten, und in den
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