Die Loge der Nacht
Schilderungen anderer. So hatte Beth MacKinsay, ihre einstige Freundin und Gefährtin, sie einmal als »katzenhafte Schöne« beschrieben, und zuerst hatte Lilith diese Worte als versteckte Beleidigung aufgefaßt.
Ganz flüchtig wehte vager Schmerz durch ihre Brust, als Lilith an Beth dachte. Sie vermißte die Freundin noch immer - um so mehr wohl, weil sie selbst es gewesen war, die Beth MacKinsay unter dem Einfluß des Lilienkelches getötet hatte .
»Nun?«
Das Fisteln war lauter als vorher, weil der andere inzwischen nähergekommen war.
Lilith schreckte aus ihren düsteren Gedanken, und ihr fast dankbares Lächeln irritierte den kleinen Mann gegenüber sichtlich.
Er reichte ihr gerade bis knapp übers Kinn, und seine Gestalt war so hager, daß er unmöglich Fleisch auf den Knochen haben konnte. Seine Haut umschlotterte ihn wie zu weit geschnittene Lederkleidung. Sein Kinn, ohnehin schon spitz, erfuhr durch einen dünnen Bart noch eine optische Verlängerung, so daß sein ganzer Kopf wie zu lang geraten aussah.
Die Verwirrung wich aus seinen Zügen und machte einem abfälligen Ausdruck Platz, als er Lilith nun aus der Nähe von oben bis unten mit offenkundigem Mißfallen musterte. Ihr körpereigener »Duft« trieb ihn zudem noch einen Schritt zurück.
Der Blick seiner Knopfaugen wurde fragend, ohne daß er noch ein Wort gesagt hätte.
Lilith hielt ihm stand, lächelte und sagte: »Ihr könnt durchaus etwas für mich tun.«
»Das bezweifle ich.«
»Ich suche jemanden.«
»Damit seid Ihr bei mir an der falschen Adresse. Wie Ihr seht, ist meine Profession die Schneiderei, wie's seit Jahren in der Familie der Böcklins Tradition ist. Ich fertige Gewänder jedweder Art -wenn auch nicht die billigsten.«
Und der Blick des Schneiders ergänzte: Gewänder, wie du sie dir gewiß nicht leisten kannst, dreckiges Ding.
Damit wandte das Männlein sich auch schon ab. Das zusammengebundene Haar wehte ihm dabei wie ein Pferdeschweif am Hinterkopf, lang genug, daß es Lilith noch streifte.
So schnell, daß es mit Blicken nicht zu verfolgen war, schnellte ihre rechte Hand in die Höhe und griff nach dem Haarschwanz des Schneiderleins.
Böcklin kreischte weibisch auf und begann zu zetern, als Lilith ihn zu sich heranzog. »Bist von Sinnen, dummer Trampel? Du reißt mir die Zier vom Kopfe ab!«
»Ich werd' dir gleich noch was ganz anderes abreißen«, kündigte Lilith an.
»Was Gott verhüten möge!«
»Wag es nicht, noch einmal solche Reden in diesem Haus zu führen!« Die Stimme kam wie Donnergrollen aus einer dunklen Ecke der Schneiderei.
Wie in einer einzigen Bewegung fuhren Lilith und der Schneider Böcklin in diese Richtung herum, wobei das Männlein wieder wimmerte, weil Lilith seine Haartracht nicht losließ.
»Herr ...«, flüsterte Böcklin, »... verzeiht mir. Ich werd' ...«
»Schweig!«
Lilith wußte schon nach diesen wenigen Worten, daß sie durchaus eine rechte Adresse aufgesucht hatte. Letzte Zweifel hätte der Auftritt des anderen ausgeräumt.
Trotzdem Lilith, seit Gott sie mit seinem Fluch belegt hatte, nicht mehr in der Lage war, vampirische Präsenz zu spüren, konnte sie die dunkle Aura dieser Gestalt fast greifen - und schmecken. Als strömte ihm der Geruch seines schwarzen Blutes aus jeder Pore, um ihn einem einzigartigen Parfüm gleich einzuhüllen.
Der Brand in Liliths Kehle lohte auf.
Obgleich der Vampir dort von eher hagerer Statur war, wirkte er doch kräftig. Eine Stärke ganz eigener Art, von innen kommend, verlieh ihm spürbare Macht und Charisma.
»Was hat es mit unserer Besucherin auf sich?« fragte der Vampir, an seinen Diener gewandt.
»Sie s-sagt«, stammelte das ganz und gar nicht mehr tapfere und forsche Schneiderlein, »sie würde jemanden suchen, Herr.«
»So?« machte der andere. »Wen denn?«
Der Blick seiner dunklen Augen heftete sich an Liliths Gesicht. Sie hielt ihm stand, nur ihre Wangenmuskeln zuckten vor Erregung, die der andere gründlich mißverstehen mußte.
»Einen wie dich«, erwiderte Lilith heiser.
Ein verwegenes Lächeln wischte über die vollen Lippen des Vampirs.
»Welch eine Freude«, sagte er dann. »Mir scheint, das Schicksal meint es über die Maßen gut mit mir in dieser Nacht.«
»Das sehe ich anders!«
Schon im Sprung befindlich, brach Lilith dem Schneider das Genick.
Das morsche Knirschen seiner Nackenwirbel schien noch in der Luft zu hängen, als sie bestienhaft fauchend gegen den Vampir prallte!
*
Lenas Körper ließ sich, obwohl
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