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Die Loge der Nacht

Die Loge der Nacht

Titel: Die Loge der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vampira VA
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um sie her in die Hocke. Kalte Hände griffen nach ihren Beinen und Armen. Lippen, glitschig und kühl wie Schnecken, krochen hier und da über ihre Haut, verharrten erst, als nadelspitze Zähne die rechten Stellen gefunden hatten - Glas klirrte. Ein Regen wie von Diamantsplittern ergoß sich in den Raum. Ein Schatten, gewaltig und drohend, wuchs auf und fiel über die Vampire. Lilith fühlte sich von einem eisigen Hauch gestreift, der nicht nur von der Nachtluft herrührte, die durch das zerbrochene und aus dem Rahmen gerissene Fenster hereinströmte.
    Und in dem Schatten, der sie alle in unsichtbarem Griff hielt, sah Lilith ein Gesicht.
    Der Anblick ließ sie um ein Haar aufschreien.
    Denn sie kannte dieses Gesicht. Obgleich sie doch wußte, daß es unmöglich war, einfach nicht sein konnte!
    Weil dieser Mann nicht in diese vergangene Zeit gehörte. Sein Platz befand sich in der Gegenwart, aus der Lilith gerissen worden war. Dort hatte sie dieses markante Gesicht, in dem tiefe Linien wie mit einem Messer hineingeritzt verliefen, gesehen - in Visionen und Träumen erst, und schließlich in natura. In einem hochgelegenen Felsenkloster hatte sie diesem Mann gegenübergestanden, und auch dort hatte er eine Art Mönchsgewand getragen. Nur Minuten später war Lilith durch das gewaltige Tor im Bauch jenes Klosters gezogen worden. 2
    Der Eindringling ließ ein seltsam monströses Schwert unter den Vampiren wüten. Wie ein Blitz, der immer wieder und wieder niederfuhr.
    Schwarzes Blut spritzte wie Herbstregen auf Lilith herab.
    Dann erhielt sie in dem Getümmel selbst einen derben Stoß.
    Er wütet -
    so begann ihr letzter Gedanke
    - wie ein -
    ihre Sinne schwanden
    - rächender Engel...
    *
    Lilith erwachte in kalter Schwärze. Muffig riechende Luft füllte diese Finsternis. Unter ihr raschelte es trocken, und dornige Spitzen stachen unangenehm in ihre Haut.
    Ihr allererster klarer Gedanke assoziierte dieses Gefühl mit vampirischen Zähnen! Erst dann erinnerte sich ihrer wundersamen Rettung.
    Nur - war sie wirklich gerettet worden?
    Schließlich hatte ihr der Mann, den sie wiedererkannt zu haben glaubte, in der Gegenwart nicht als Freund gegenübergestanden. »Mörderin« hatte er sie genannt, und ihr Tod schien ihm erstrebenswerter denn alles andere. Wenn sie auch nicht wußte, warum.
    Lilith verscheuchte den Gedanken. Sie würde des Rätsels Lösung auch jetzt nicht finden. Gewiß konnte sie sich im Moment nur sein, daß sie sich nicht mehr in der verwüsteten Schneiderei befand. Infolgedessen hatte jemand, da sie es nicht auf eigenen Füßen getan haben konnte, daraus fortgebracht.
    Hierher.
    Wo war dieses Hierher?
    Lilith versuchte die Dunkelheit mit Blicken zu durchforsten. Nur langsam begannen Lenas Augen, den vagen Schimmer, der fast unsichtbar von irgendwoher kam, zu nutzen. Die Art vampirischen Sehens, die fast alles Dunkel aufzuhellen vermochte, lag ihnen nicht.
    Nach einer Weile erkannte Lilith schließlich eng beisammenstehende, bruchsteinerne Wände um sich her, und sie stellte fest, daß sie auf einem Lager aus strohgefüllten Säcken ruhte. In ihrem früheren (zukünftigen) Leben wäre ihr der Raum wie eine Zelle erschienen, nachdem sie die vergangenen Nächte jedoch in stinkenden Ställen und bisweilen unter freiem Himmel zugebracht hatte, kam er ihr fast behaglich vor.
    Sie trat an das glaslose Fenster, mehr eine im Mauerwerk offengelassenes Loch, und sah hinaus in die Nacht. Ein breiter Strom wälzte sich unter ihr glitzernd und dunkel murmelnd durch sein Bett; zweifelsohne die Donau, deren Lauf Lilith nach Regensburg gefolgt war.
    Sie wandte sich ab und ging zu der Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Sie war unverschlossen. Als Gefangene betrachtete man (wer auch immer) sie offenbar nicht.
    Lilith lugte durch den Spalt und sah einen kahlen Gang, von dem etliche Türen wie die ihre abführten. Keine Menschenseele war auszumachen.
    Nur still war es nicht. An den steinernen Wänden des Flurs geisterten von Ferne Stimmen heran. Eine, so stellte Lilith nach einer Weile fest, sprach besonders oft und lange, während die anderen ihr knapper antworteten.
    Ohne länger zu zögern, schlüpfte Lilith vollends auf den Gang hinaus und wandte sich nach links, wo die Stimmen mit jedem Schritt ein wenig lauter wurden.
    Niemand begegnete ihr, und auch als sie auf eine offene Galerie gelangte, lag der Hof unter ihr leer da. Lilith verharrte für einen Moment und schaute sich um. Der Hof war ringsum von Gebäuden

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