Die Loge
hiesigen Polizei und der staatlichen Sicherheitsdienste. Im Augenblick haben sich diese beiden wegen unseres angeblichen Papstattentäters überworfen. Sie werden den Heiligen Vater mit einem Wall umgeben, der unmöglich zu durchdringen ist.«
»Was Sie sagen, ist wahr, Carlo. Aber es gibt zwei Faktoren, die sich gewaltig zu unseren Gunsten auswirken werden. Sie arbeiten beim Sicherheitsdienst des Vatikans. Sie können einen Mann in die unmittelbare Nähe des Heiligen Vaters schleusen, wann immer Sie wollen.«
»Und der zweite Faktor?«
»Der Mann, den Sie in die Nähe des Heiligen Vaters schleusen werden, ist der Leopard.«
»Ich bezweifle, daß selbst der Leopard einen solchen Auftrag übernehmen würde, Euer Eminenz.«
»Bieten Sie ihm Geld, viel Geld. Darauf springen solche Kreaturen immer an.«
Casagrande hatte das Gefühl, mit dem Schädel gegen die Mauern der alten Abtei zu rammen. Trotzdem beschloß er, einen letzten Vorstoß zu wagen.
»Als ich damals von den Carabinieri in den Vatikan gekommen bin, habe ich einen heiligen Eid geschworen, den Papst zu beschützen. Jetzt verlangt Ihr, daß ich diesen Eid breche, Euer Eminenz.«
»Sie haben auch einen heiligen Eid geschworen, der Crux Vera und mir persönlich zu gehorchen – einen Eid, der Ihnen absoluten Gehorsam auferlegt.«
Casagrande blieb stehen und wandte sich dem Kardinal zu, dessen Brillengläser mit Regentropfen besprenkelt waren. »Ich hatte gehofft, meine Frau und meine Tochter dereinst im himmlischen Königreich wiederzusehen, Euer Eminenz. Aber den Mann, der diese Tat ausführt, erwartet gewiß nur die ewige Verdammnis.«
»Das Fegefeuer muß Ihnen keine Sorgen bereiten, Carlo. Ich werde Ihnen die Absolution erteilen.«
»Liegt das wirklich in Eurer Macht? Können Sie die Seele eines Mannes retten, der einen Papst ermordet?«
»Natürlich kann ich das!« fauchte Brindisi, als halte er diese Frage für blasphemisch. Dann wurden seine Haltung und sein Tonfall milder. »Sie sind müde, Carlo. Diese Angelegenheit war für uns alle eine langwierige und schwierige. Aber es gibt eine Lösung, und bald ist alles vorbei.«
»Aber für wen, Euer Eminenz? Für uns? Für die Kirche?«
»Er will die Kirche vernichten. Ich will sie retten. Auf wessen Seite stehen Sie?«
Nach kurzem Zögern antwortete Casagrande: »Ich halte zu Euch, Euer Eminenz. Und zur heiligen Mutter Kirche.«
»Das habe ich nicht anders erwartet.«
»Nur noch eine Frage: Habt Ihr die Absicht, den Heiligen Vater in die Synagoge zu begleiten? Ich möchte auf keinen Fall, daß Ihr in der Nähe seid, wenn diese schreckliche Tat verübt wird.«
»Als mir der Heilige Vater dieselbe Frage gestellt hat, habe ich erklärt, am Freitag an einer Grippe zu erkranken, die mir leider nicht gestatten werde, an seiner Seite zu weilen.«
Casagrande ergriff die Hand des Kardinals und küßte fieberhaft den Ring. Brindisi streckte seine langen Finger aus und zeichnete auf Casagrandes Stirn das Kreuz. Aus seinem Blick sprach keine Liebe – nur Kälte und grimmige Entschlossenheit. Auf Casagrande wirkte es, als erteile er einem Sterbenden die Letzte Ölung.
Kardinal Brindisi fuhr als erster nach Rom zurück. Casagrande und Roberto Pucci blieben allein im Garten der Villa Galatina.
»Man braucht nicht besonders scharfsinnig zu sein, um zu erkennen, daß Sie nicht mit ganzem Herzen hinter der Sache stehen, Carlo.«
»Nur ein Irrer würde sich über die Gelegenheit freuen, einen Papst zu ermorden.«
»Was haben Sie nun vor?«
Casagrande scharrte mit der Schuhspitze im Kies, dann sah er zu den Zypressen auf, die sich im Wind bogen. Er wußte, daß er im Begriff war, einen Kurs einzuschlagen, der letztlich zu seiner eigenen Vernichtung führen würde.
»Ich fahre nach Zürich«, sagte Casagrande. »Ich werde einen Attentäter engagieren.«
26
W IEN
Eli Lavons Büro sah wie der Befehlsbunker einer Armee auf dem Rückzug aus. Aufgeschlagene Ordner lagen kreuz und quer auf den Tischen, und die Landkarten an den Wänden hingen teilweise schief. Aschenbecher quollen von nur halb gerauchten Zigaretten über, und ein Papierkorb barg die Reste einer erbärmlichen Mahlzeit aus dem Straßenverkauf eines Restaurants. Ein Becher mit längst kaltem Kaffee balancierte gefährlich schief auf einem Bücherstapel. In einer Ecke flimmerte ein Fernseher mit leisem Ton unbeachtet vor sich hin.
Lavon hatte sie offensichtlich erwartet. Er riß die Tür auf, bevor Gabriel auch nur klingeln konnte, und zog sie
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