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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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unterwegs war. Der Grund für diese ungeplante Fahrt war der mit einem Zahlenschloß gesicherte Aktenkoffer auf dem Sitz neben ihm. Dabei handelte es sich um den Bericht, den der Agent, den er mit der Erforschung der Kindheit des Heiligen Vaters betraut hatte, ihm an diesem Morgen übergeben hatte. Der Agent hatte sich gezwungen gesehen, in Benedetto Foàs Wohnung einzubrechen. Die hastige Durchsuchung der Unterlagen des Journalisten hatte dessen Aufzeichnungen zu diesem Thema zutage gefördert. Eine Zusammenfassung dieser Informationen war in dem Bericht enthalten.
    Die Villa Galatina rückte ins Blickfeld: auf ihrem eigenen Berg thronend und finster ins Tal hinabblickend. Casagrande sah einen von Roberto Puccis Männern mit geschultertem Gewehr hoch oben zwischen den Zinnen Wache halten. Das große Tor stand offen. Ein Wachmann in beigefarbenem Anzug warf einen Blick auf das SCV-Kennzeichen und winkte die Limousine durch.
    Roberto Pucci empfing Casagrande in der Eingangshalle. Er trug Reithose und Reitstiefel und roch nach Schießpulver. Offenbar hatte er den Morgen auf dem Schießstand verbracht. Don Pucci bekannte oft, mehr als seine Gewehre liebe er nur das Geldverdienen – und natürlich die Heilige Mutter Kirche. Der Finanzier begleitete Casagrande durch eine lange, düstere Galerie in einem riesigen höhlenartigen Raum mit Blick auf den Park. Kardinal Marco Brindisi war bereits da: eine hagere Gestalt, die auf einer Sesselkante am Kaminfeuer saß und eine Teetasse gefährlich auf dem linken Oberschenkel balancierte. Lichtreflexe spiegelten sich in den kleinen runden Brillengläsern des Kardinals und machten sie zu undurchsichtigen Scheiben, die seine Augen verdeckten. Casagrande ließ sich auf ein Knie nieder und küßte den ihm dargebotenen Ring. Brindisi streckte Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand aus und erteilte ihm ernst seinen Segen. Dem Kardinal fielen Casagrandes bemerkenswert schöne Hände auf.
    Casagrande nahm Platz, öffnete das Zahlenschloß seines Aktenkoffers und klappte den Deckel auf. Brindisi streckte eine Hand aus, nahm ein einzelnes, unter dem Briefkopf des vatikanischen Sicherheitsdiensts mit der Maschine geschriebenes Papier entgegen und begann zu lesen. Casagrande faltete die Hände auf dem Schoß und wartete geduldig. Roberto Pucci ging im Hintergrund auf und ab – ein rastloser Jäger auf der Suche nach einem potentiellen Ziel.
    Im nächsten Augenblick stand Kardinal Brindisi auf und machte ein paar unsichere Schritte auf den Kamin zu. Er ließ das Blatt in die Flammen segeln und sah zu, wie es sich kräuselte und entzündete. Dann drehte er sich langsam zu Casagrande und Pucci um. Brindisis uomini di fiducia , seine Vertrauensmänner, warteten auf seinen Urteilsspruch, der für Casagrande jedoch nicht überraschend kam, weil er wußte, für welchen Kurs sich Brindisi entscheiden würde. Brindisis Kirche schwebte in tödlicher Gefahr. Drastische Maßnahmen waren erforderlich.
    Roberto Pucci war ein ständiges Ziel der italienischen Geheimdienste, und es war lange her, daß die Villa Galatina nach Wanzen abgesucht worden war. Bevor Kardinal Brindisi sein Todesurteil verkünden konnte, legte Casagrande den Zeigefinger auf die Lippen und sah dabei zur Decke auf. Obwohl draußen kalter Regen fiel, machten sie unter Regenschirmen einen Spaziergang durch Don Puccis Gärten und sahen dabei wie Trauergäste aus, die einem von Pferden gezogenen Leichenwagen folgten. Der Saum von Brindisis Soutane war bald durchnäßt. Casagrande schien es, als wateten sie Schulter an Schulter durch Blut.
    »Papst Zufällig spielt ein sehr gefährliches Spiel«, sagte Kardinal Brindisi. »Seine Initiative zur Öffnung des vatikanischen Archivs ist nur ein Vorwand, um Dinge preiszugeben, die er seit langem weiß. Das Ganze ist ein Akt unglaublicher Fahrlässigkeit. Ich halte es für durchaus möglich, daß der Heilige Vater an Wahnvorstellungen leidet oder sonstwie geisteskrank ist. Daher haben wir die Pflicht, ja sogar den göttlichen Auftrag, ihn aus dem Amt zu entfernen.«
    Roberto Pucci räusperte sich. »Aus dem Amt zu entfernen oder zu liquidieren sind zweierlei Dinge, Euer Eminenz.«
    »In diesem Fall nicht, Don Pucci. Das Konklave hat ihn zum absoluten Herrscher ernannt. Und einen König kann man nicht einfach zum Rücktritt auffordern. Nur der Tod beendet sein Papsttum.«
    Casagrande sah zu einer vom Wind bewegten Reihe Säulenzypressen auf. Den Papst ermorden? Das war Wahnsinn. Er wandte seinen

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