Die Loge
allein ließe es sich leicht als eine geschickte Fälschung abtun, mit der der KGB die katholische Kirche in Mißkredit bringen wollte. Schließlich haben sich Kirche und KGB in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts erbitterte Kämpfe geliefert – vor allem während der Krise in Polen und zu Wojtylas Amtszeit.«
Gabriel beugte sich nach vorn, die Ellbogen auf die Knie gestützt. »Aber wenn man das Dokument im Zusammenhang mit Schwester Reginas Bericht und meinen sonstigen Informationen liest?«
»Dann ist es vermutlich das belastendste Einzeldokument, das ich je gesehen habe. Ein hoher Abgesandter des Vatikans, der beim Abendessen mit Martin Luther über Völkermord diskutiert? In einem idyllisch gelegenen Kloster am Gardasee? Kein Wunder, daß für dieses Schriftstück getötet wurde. Wird es veröffentlicht, kommt das einer Atombombendetonation auf dem Petersplatz gleich.«
»Kann du seine Echtheit prüfen lassen?«
»Ich habe ein paar Kontakte zum Föderalen Sicherheitsdienst FSB, dem KGB-Nachfolger. Auch der stille kleine Mann, der dort drüben am Fenster steht, hat welche. Obwohl er nicht gern darüber spricht, hat er Freunde am Dserschinskij-Platz, mit denen er im Lauf der Jahre schon oftmals zusammengearbeitet hat. Ich wette, daß er dieser Sache binnen weniger Tage auf den Grund gehen könnte, wenn er wirklich wollte.«
Schamron sah zu Lavon hinüber, als wollte er sagen, dafür brauche er höchstens einen Nachmittag.
»Und was tun wir dann mit diesen Informationen?« erkundigte sich Gabriel. »Sie der New York Times zuspielen? Ein Memorandum aus dem Dritten Reich, das über KGB und israelischen Geheimdienst an die Öffentlichkeit gelangt? Die Kirche würde leugnen, daß das Treffen jemals stattgefunden hat, und zum Gegenangriff übergehen. Nur sehr wenige Leute würden uns glauben. Und wir würden damit die Beziehungen zwischen Israel und dem Vatikan vergiften. Alles, was Papst Johannes Paul II. für die Verbesserung der Beziehungen zwischen Katholiken und Juden getan hat, würde in Flammen aufgehen.«
Auf Lavons Gesicht erschien ein frustrierter Ausdruck. »Wie sich Papst Pius und der Vatikan im Zweiten Weltkrieg verhalten haben, ist eine Frage von staatlichem Interesse für die Regierung Israels. In der katholischen Kirche gibt es Bestrebungen, Pius XII. heiligzusprechen. Die israelische Regierung vertritt die Auffassung, es dürfe keine Kanonisierung geben, bevor nicht alle einschlägigen Dokumente aus dem Geheimarchiv freigegeben und gesichtet sind. Dieses Material hier sollte dem Außenministerium in Tel Aviv übergeben werden, damit es entsprechend handeln kann.«
»Das sollte es, Elijah«, pflichtete Schamron ihm bei, »aber ich fürchte, Gabriel hat recht. Dieses Dokument ist zu gefährlich, um veröffentlicht zu werden. Was, glaubst du, würde der Vatikan dazu sagen? ›Ach, du liebe Güte, wie konnte das nur passieren? Tut uns schrecklich leid.‹ Nein, das täte er nicht. Er würde uns angreifen, und unser Schuß würde nach hinten losgehen. Unsere Beziehungen zum Vatikan sind bestenfalls dürftig. Im dortigen Staatssekretariat gibt es genügend Leute, die jeden noch so kleinen Anlaß – auch unsere Verwicklung in diese Affäre – nutzen würden, um diese Beziehungen wieder zu kappen. Soll die Sache doch noch ihr Gutes haben, muß sie von Insidern diskret und taktvoll behandelt werden.«
»Von Ihnen etwa ? Entschuldigung, Boss, aber die Worte diskret und taktvoll drängen sich mir nicht gerade auf, wenn ich an Sie denke. Lev hat Gabriel und Ihnen gestattet, wegen Benis Tod zu ermitteln, nicht jedoch, unsere Beziehungen zum Heiligen Stuhl aufs höchste zu gefährden. Sie sollten das Material dem Außenministerium übergeben und nach Tiberias zurückkehren.«
»Unter normalen Umständen würde ich Ihren Rat vielleicht befolgen, aber die Situation hat sich inzwischen geändert, fürchte ich.«
»Wie meinen Sie das, Boss?«
»Der Anruf, den ich heute morgen bekommen habe, kam von Aaron Schiloh, unserem Botschafter beim Heiligen Stuhl. Der Terminplan des Papstes scheint unerwartet um einen Punkt erweitert worden zu sein.«
»Womit wir wieder bei den Gentlemen wären, die euch beschattet haben, als ihr die sichere Wohnung in Rom verlassen habt.« Schamron setzte sich Gabriel gegenüber und legte ein Photo auf den Couchtisch. »Diese Aufnahme ist vor fünfzehn Jahren in Bukarest gemacht worden. Erkennst du ihn?«
Gabriel nickte. Der Mann auf dem Photo war der gemeinhin nur
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