Die Loge
Christentums im Heiligen Land kontrollieren.
Ich habe unsere Auffassung, daß ein päpstlicher Protest gegen die Erfassungen und Deportationen ein klarer Bruch des Konkordats sei, unmißverständlich deutlich dargelegt. Zugleich habe ich meine Überzeugung unterstrichen, ein päpstlicher Protest würde entscheidende und katastrophale Auswirkungen auf unsere Judenpolitik haben. Doch Bischof Lorenzi erkennt besser als viele andere, welche Macht der Heilige Stuhl in dieser Angelegenheit besitzt, und wird sein Möglichstes tun, um sicherzustellen, daß der Papst weiter schweigt. Ich glaube, daß es dem Papst mit Bischof Lorenzis Unterstützung gelingen wird, den Proteststurm unserer Feinde abzuwehren und seine strikt neutrale Haltung zu behaupten. Meiner Auffassung nach ist unsere Position im Vatikan gestärkt, und wir brauchen von seiten des Heiligen Stuhls oder der Katholiken in unserem Einflußbereich mit keinem ernstlichen Widerstand gegen unsere Judenpolitik zu rechnen.
Schamron war stehengeblieben und schien sein Spiegelbild im Fensterglas zu studieren. Er ließ sich mit dem Anzünden seiner nächsten Zigarette viel Zeit. Gabriel merkte ihm an, daß er vier Züge vorausdachte. »Wir haben schon lange nicht mehr miteinander geredet«, sagte er. »Ich denke, bevor wir weitermachen, solltest du erzählen, wie du zu diesem Schriftstück gekommen bist.«
Als Gabriel zu erzählen begann, nahm Schamron seine Wanderung vor dem Fenster wieder auf. Gabriel berichtete, wie er in London bei Peter Malone gewesen war und am nächsten Morgen in Radio Riviera von der Ermordung des Journalisten gehört hatte. Er schilderte seine Begegnung mit Inspektor Alessio Rossi in der »Pensione Abruzzi« und die Schießerei, bei der Rossi und vier weitere Polizeibeamte den Tod fanden, dann begründete er seinen Entschluß, die Jacht zu kapern, um seine Ermittlungen fortsetzen zu können, statt nach Israel zurückzukehren.
»Du hast etwas vergessen«, unterbrach ihn Schamron. Er sprach uncharakteristisch sanft, als habe er ein Kind vor sich. »Ich habe Schimon Pazners Einsatzbericht gelesen. Nach seiner Schilderung seid ihr beim Verlassen der sicheren Wohnung beschattet worden – von zwei Männern in einem beigefarbenen Lancia. Das zweite Team hat diesen Wagen abgedrängt, und ihr habt ohne weitere Zwischenfälle die Bucht erreicht, in der das Schlauchboot bereitlag. Ist das richtig?«
»Ich habe den Lancia nie gesehen. Ich weiß nur, was Pazner mir darüber erzählt hat. Die Leute in jenem Wagen haben uns möglicherweise beschattet – oder sie waren völlig harmlose Römer, die uns die größte Überraschung ihres Lebens verdanken.«
»Möglich, aber zweifelhaft. Denn kurze Zeit später ist der beigefarbene Lancia unweit der Stazione Termini aufgefunden worden. Am Steuer saß ein gewisser Marwan Asiz, den wir als Agenten des PLO-Nachrichtendiensts kennen. Er war von drei Schüssen durchbohrt. Marwan Asiz war einer der beiden Männer, die euch beschattet haben. Ich frage mich, wohin der zweite Mann verschwunden ist. Ich frage mich, ob er Asiz ermordet hat. Aber ich schweife ab. Bitte, sprich weiter.«
Gabriel, den Schamrons Mitteilung beeindruckt hatte, berichtete weiter. Von der Überfahrt nach Cannes. Vom Besuch bei Antonella Huber, die ihm die Originalaufzeichnungen ihrer Mutter, der ehemaligen Schwester Regina, überlassen hatte. Von dem Sterbenden, den er in einem Wäldchen außerhalb von St.-Cézaire zurückgelassen hatte. Von der mitternächtlichen Durchsuchung in Benjamins Wohnung und der beinahe tödlichen Konfrontation mit Frau Ratzinger, der alten Hausmeisterin. Schamron unterbrach diese Wanderung nur einmal: als Gabriel gestand, Carlo Casagrande am Telefon gedroht zu haben. Eine verständliche Reaktion, besagte der Ausdruck auf dem faltigen Gesicht des Alten, aber kein Benehmen, das er von einem gutausgebildeten und erfahrenen Agenten wie Gabriel erwartet hätte.
»Womit wir bei der auf der Hand liegenden nächsten Frage wären«, spann Schamron den Faden weiter. »Ist dieses Dokument echt? Oder ist es das vatikanische Gegenstück zu den Hitler-Tagebüchern?«
Lavon hielt es hoch. »Sehen Sie diese Markierungen? Die finden sich auch auf Schriftstücken aus dem KGB-Archiv. Ich vermute, daß die Russen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bei einem Großreinemachen in ihren Archiven auf das Dokument gestoßen sind. Irgendwie muß es dann in Benjamins Hände gelangt sein.«
»Aber ist es ein Schwindel?«
»Für sich
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