Die Loge
Öltuch.
Dann griff er nochmals in den Hohlraum und fand zwei weitere Gegenstände: die Schlüssel zu dem vor dem Haus geparkten Motorrad und eine Geldbörse aus Leder. Er klappte die Geldbörse auf. Sie enthielt einen offenbar echten Dienstausweis des Vatikanischen Sicherheitsdiensts. Lange las den Namen – MANFRED BECK, ABT. SONDERERMITTLUNGEN – und begutachtete das Photo. Es war das Paßphoto, das er Casagrande in dem Züricher Hotelzimmer gegeben hatte. Natürlich zeigte es nicht ihn, aber die vage Ähnlichkeit ließ sich durch Frisur und Schminke sehr leicht verstärken.
Manfred Beck, Abteilung Sonderermittlungen …
Er legte die Geldbörse in den Hohlraum zurück, setzte das Bodenbrett wieder ein und stellte die Schuhe darüber. Dann sah er sich in dem spartanisch kahlen Raum um. Das Zimmer eines armen Priesters. Plötzlich überfiel ihn eine Erinnerung: eine verwinkelte gepflasterte Gasse in Fribourg, ein junger Mann in schwarzer Soutane, der durch die von der Saane aufsteigenden Nebel geht. Ein junger Mann in einer Krise, daran erinnerte Lange sich recht gut. Ein gequälter Mann. Ein Mann, der die schmerzhafte Einsamkeit des vor ihm liegenden Lebens nicht ertragen kann. Ein Mann, der an der Front kämpfen will. Wie merkwürdig, daß der Weg, für den er sich dann entschied, ihn zu einem Leben verurteilte, das einsamer als das jedes Gemeindepfarrers war. Wie eigenartig, daß er ihn hierher, in dieses gräßliche Zimmer in Rom, führte.
Er trat ans Fenster und öffnete einen Flügel. Feuchtkalte Nachtluft schlug ihm entgegen. Ungefähr einen halben Kilometer entfernt war die Stazione Termini sichtbar. Direkt gegenüber, auf der anderen Straßenseite, lag ein verwahrloster, unattraktiver Park. Auf einem mit Pfützen übersäten Bürgersteig war eine Frau unterwegs. Der Lichtschein einer Straßenlampe ließ die bretonisch rötlichen Glanzlichter in ihrem Haar kurz aufleuchten. Irgend etwas veranlaßte sie dazu, zu dem offenen Fenster aufzusehen. Ausbildung. Instinkt. Angst. Als sie sein Gesicht erkannte, lächelte sie und machte sich daran, die Straße zu überqueren.
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R OM
Ari Schamron hatte sich dafür entschieden, dem Stellvertreter Christi reinen Wein einzuschenken. Gabriel sollte ihm ohne Rücksicht auf schützenswerte Quellen oder Methoden alles erzählen. Und er hatte die Anweisung, dabei chronologisch vorzugehen, denn Schamron, der in seiner langen Laufbahn ein halbes Dutzend Ministerpräsidenten über diverse Sachlagen ins Bild gesetzt hatte, kannte den Wert einer guten Story. Seiner Überzeugung nach würden die schmutzigen Details darüber, wie geheimdienstliche Erkenntnisse zusammengetragen wurden, dem Publikum – in diesem Fall dem Pontifex maximus der römisch-katholischen Kirche – die Schlußfolgerungen glaubhafter erscheinen lassen.
Sie nahmen zu fünft im Wohnzimmer Platz. Papst Paul VII. saß in einem bequemen Sessel und ließ die gefalteten Hände auf den Knien ruhen. Neben ihm saß Monsignore Donati, der sein Notizbuch aufgeschlagen auf den Knien liegen hatte. Gabriel, Schamron und Eli Lavon, die sich auf dem Sofa drängten, waren durch den niedrigen Couchtisch mit einer Kanne Tee darauf, die niemand anrührte, vom Papst und seinem Privatsekretär getrennt. Schimon Pazner und Chiara hielten auf der Dachterrasse Wache. Francesco Tiepolo, dessen Arbeit getan war, küßte den Fischerring und fuhr auf dem Rücksitz einer vom Dienst gestellten Limousine nach Venedig zurück.
Während Gabriel auf italienisch mit dem Papst sprach, machte sich Monsignore Donati eifrig Notizen. Alle paar Minuten unterbrach er Gabriel, indem er seinen silbernen Kugelschreiber hob und den Vortragenden dabei über seine halbmondförmige Lesebrille hinweg anstarrte. Dann bestand er darauf, daß Gabriel eine scheinbar belanglose Kleinigkeit wiederholte, oder diskutierte mit ihm über die richtige Übersetzung irgendeines Ausdrucks. Zeigte sich, daß der Sachverhalt anders lag, als er es notiert hatte, strich er den falschen Text umständlich durch. Als Gabriel von seinem Gespräch mit Peter Malone berichtete – und dabei erstmals die Wörter »Crux Vera« gebrauchte –, warf Donati dem Papst einen Verschwörerblick zu, den der Heilige Vater demonstrativ ignorierte.
Der Papst seinerseits blieb schweigsam. Manchmal war sein Blick auf seine ineinander gefalteten Finger gerichtet; manchmal schloß er kurz die Augen, als meditiere er. Nur die Morde schienen ihn aus seiner Erstarrung zu wecken. Bei jedem
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