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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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Toten – Benjamin Stern, Peter Malone, Alessio Rossi, den vier Carabinieri , dem Crux-Vera-Agenten in Südfrankreich – bekreuzigte sich
    Paul VII. und murmelte ein kurzes Gebet. Er sah Gabriel kein einziges Mal an und ignorierte auch Monsignore Donati völlig. Nur Schamron gelang es, seine Aufmerksamkeit zu erregen. Der Papst schien eine Art Verwandtschaft zu dem Alten zu empfinden. Das mochte daran liegen, daß sie ungefähr gleichaltrig waren. Oder vielleicht entdeckte der Heilige Vater in den Runzeln und Falten von Schamrons zerfurchtem Gesicht etwas Beruhigendes. Gabriel fiel jedenfalls auf, daß sich die beiden alle paar Minuten über den Couchtisch hinweg anstarrten, als sei dieses ein Sinnbild für eine Kluft aus Zeit und Geschichte.
    Gabriel übergab Schwester Reginas Brief Monsignore Donati, der ihn laut verlas. Das Gesicht des Heiligen Vaters, der die Augen fest geschlossen hielt, nahm einen kummervollen Ausdruck an. Gabriel hatte das Gefühl, daraus spreche ein Schmerz, der Paul VII. plötzlich erfüllte – der Schmerz einer wiederaufgerissenen Wunde. Der Papst öffnete nur einmal die Augen: als Schwester Regina von dem Jungen schrieb, der mit dem Kopf in ihrem Schoß schlief. Er sah über die trennende Barriere zu Schamron hinüber und erwiderte sekundenlang seinen Blick, bevor er wieder die Augen schloß und in seine ureigene Agonie zurückkehrte.
    Als Monsignore Donati den Brief vorgelesen hatte, gab er ihn Gabriel zurück. Gabriel berichtete dem Papst von seinem Entschluß, nach München zurückzukehren, um Benjamins Wohnung nochmals zu durchsuchen, und von dem Schriftstück, das Benjamin Frau Ratzinger, der alten Hausmeisterin, zur Aufbewahrung anvertraut hatte.
    »Es ist in deutscher Sprache abgefaßt«, fügte Gabriel an. »Soll ich es Euch übersetzen, Euer Heiligkeit?«
    Monsignore Donati antwortete für den Papst. »Der Heilige Vater und ich sprechen fließend deutsch. Sie können den Text unbesorgt in der Originalversion vorlesen.«
    Das von Martin Luther für Adolf Eichmann verfaßte Memorandum schien dem Heiligen Vater körperliche Schmerzen zu bereiten. Etwa bei der Hälfte ergriff er Monsignore Donatis Hand und hielt sie wie hilfesuchend umklammert. Als Gabriel geendet hatte, senkte Papst Paul VII. den Kopf und faltete die Hände unter seinem Brustkreuz. Als er die Augen wieder öffnete, sah er zu Schamron hinüber, der Schwester Reginas Bericht in den Händen hielt.
    »Ein bemerkenswertes Dokument, nicht wahr, Euer Heiligkeit?« fragte Schamron auf deutsch.
    »Ich fürchte, daß ich ein anderes Wort bevorzugen würde«, antwortete der Papst in derselben Sprache. »›Schändlich‹ fällt mir als erstes dazu ein.«
    »Aber ist dies ein zutreffender Bericht über das Treffen, das im Jahr 1942 im dortigen Kloster stattgefunden hat?«
    Gabriel starrte erst Schamron, dann den Papst an. Monsignore Donati öffnete den Mund, um zu protestieren, aber der Pontifex maximus brachte ihn zum Schweigen, indem er seinem Privatsekretär sanft die Hand auf den Arm legte.
    »Er stimmt bis auf eine Kleinigkeit«, antwortete Papst Paul VII. »Ich habe nicht wirklich auf Schwester Reginas Schoß geschlafen. Ich konnte es nur nicht ertragen, noch länger den Rosenkranz zu beten.«
    Und dann erzählte er ihnen die Geschichte eines Jungen – eines armen Jungen aus den Bergen Oberitaliens. Eines Jungen, der als Neunjähriger Vollwaise wurde und keine Verwandten besaß, die ihn hätten aufnehmen können. Eines Jungen, der schließlich in einem Kloster am Ufer eines Sees Obdach fand, in dem er in der Küche arbeitete und sich mit Schwester Regina Carcassi anfreundete. Die Ordensfrau wurde ihm Mutter und Lehrerin zugleich. Sie lehrte ihn lesen und schreiben. Sie lehrte ihn, Kunst und Musik hochzuschätzen. Sie lehrte ihn, Gott zu lieben und deutsch zu sprechen. Sie nannte ihn Ciciotto – Dickerchen. Nach dem Krieg, als Schwester Regina ihr Gelübde widerrief und das Kloster Brenzone verließ, ging auch der Junge fort. Wie Regina Carcassi zweifelte er seit den Kriegsereignissen an der Kirche und gelangte schließlich nach Mailand, wo er sein Leben als Taschen- und Ladendieb auf der Straße fristete. Dabei wurde er häufig von Polizeibeamten geschnappt und verprügelt. Eines Nachts wurde er von einer Verbrecherbande schwer mißhandelt, die den vermeintlich Toten auf einer Kirchentreppe zurückließ. Dort entdeckte ihn am Morgen der Gemeindepfarrer und ließ ihn ins Krankenhaus bringen. Der Geistliche besuchte

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