Die Loge
in die Innentasche seines Jacketts, zog die Photos des unter dem Namen »Leopard« bekannten Attentäters heraus und breitete sie nebeneinander auf dem niedrigen Tisch aus. Auf allen Aufnahmen sah der Killer erstaunlich unterschiedlich aus. Einige dieser Veränderungen waren auf plastische Operationen zurückzuführen, aber viele waren mit einfacheren Mitteln wie Kopfbedeckungen, Perücken und Brillen erzielt worden.
Gabriel steckte die Photos wieder ein und blickte durchs Arbeitszimmer zu dem kleinen Mann in Weiß hinüber, der über die Papiere auf seinem Schreibtisch gebeugt war. Er fühlte sein Herz sinken. War der Leopard wirklich in Rom, um den Papst zu ermorden, würde es fast unmöglich sein, ihn aufzuhalten. Die Photos in seiner Tasche unterstrichen seine Befürchtung: Höchstwahrscheinlich würde Gabriel ihn nicht einmal kommen sehen.
Während Katrine duschte und sich danach anzog, verwischte Lange sämtliche Spuren in der Einzimmerwohnung. Mit einem feuchten Lappen putzte er alles ab, was er hier angefaßt hatte: Türklinken, Schrank- und Kommodengriffe, Wasserhähne und Handbrause im Bad, Bettgestell, Kochplatte, Kaffeekanne und Tassen. Dann stopfte er die mitgebrachte Kleidung und seine Toilettensachen in einen Müllbeutel. Als er sich sicher war, jede Spur seiner Anwesenheit in dieser Wohnung beseitigt zu haben, setzte er sich auf die Bettkante und achtete darauf, nichts mehr anzufassen.
Katrine kam aus dem Bad. Sie trug Jeans, Lederschnürstiefel und eine schwarz glänzende Bomberjacke aus Nylon. Ihr Haar war straff zurückgekämmt, ihre Augen waren hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen. Sie sah sehr attraktiv aus. Der durchschnittliche Carabiniere würde sich sofort von ihr ablenken lassen. Damit rechnete Lange.
Er stand auf, schob die Stetschkin in den Hosenbund und knöpfte sein Jackett darüber zu. Dann schlüpfte er in einen billigen schwarzen Nylonregenmantel, wie ihn die Hälfte aller römischen Geistlichen trug, und nahm den Müllbeutel mit.
Sie gingen die Treppe hinunter. In der einen Hand trug Lange den Müllbeutel und mit der anderen hielt er den Kragen seines Regenmantels zu, damit der Priesterkragen darunter nicht zu sehen war.
Draußen schwang er sich auf seine Maschine und ließ den Motor an. Katrine stieg hinter ihm auf und schlang ihre Arme um seine Taille. Er fuhr an, wendete nach Osten in Richtung Innenstadt und gab Gas. Die Wohnungsschlüssel ließ er unterwegs in einen Gully fallen. Den Müllbeutel gab er mit einem Trinkgeld einem Müllmann, der ihn hinten auf seinen Wagen warf und Lange einen schönen Tag wünschte.
33
V ATIKANSTADT
Paul VII. sollte seine Ansprache in der Synagoge um elf Uhr beginnen. Um zehn Uhr dreißig verließ er in Begleitung von Monsignore Donati und Gabriel sein Arbeitszimmer. Auf dem Korridor vor den päpstlichen Gemächern begegneten sie dem zum Schutz des Heiligen Vaters abgeordneten Trupp von Gardisten in Zivil. Angeführt wurde dieser von einem baumlangen Schweizer namens Karl Brunner. Dies war der Augenblick, den Gabriel am meisten fürchtete – seine erste Begegnung mit den katholischen Schweizern, die geschworen hatten, den Papst notfalls unter Einsatz ihres Lebens zu schützen.
Sobald Brunner Gabriel sah, griff er ins Jackett seines blauen Anzugs und zog eine Pistole. Er kam herangestürmt, stieß den Papst mit weitausholender Armbewegung beiseite und packte Gabriel an der Kehle. Gabriel unterdrückte jeglichen Überlebensinstinkt und ließ sich von dem Gardisten zu Boden ringen. Er hätte ohnehin nicht viel gegen ihn ausrichten können. Karl Brunner war bestimmt fünfundzwanzig Kilo schwerer als er und wie ein Rugbyspieler gebaut. Seine Hand um Gabriels Kehle fühlte sich wie ein Schraubstock an. Gabriel achtete darauf, daß seine Hände gut zu sehen waren, und ließ zu, daß ihm der Sicherheitsbeamte die Beretta aus dem Schulterhalfter riß. Brunner warf die Pistole weg und hielt Gabriel mit seiner eigenen Waffe in Schach, während zwei seiner Männer den zu Boden Gerungenen an Armen und Beinen festhielten.
Die restlichen Männer bildeten einen schützenden Kreis um den Papst und führten ihn eilig den Flur entlang. Paul VII. befahl ihnen jedoch, ihn loszulassen, und hastete zu Karl Brunner zurück. Brunner schob den Papst beiseite und forderte ihn lautstark auf, sich in Sicherheit zu bringen.
»Lassen Sie ihn aufstehen, Karl«, sagte der Papst.
Brunner rappelte sich auf, während seine Männer den Liegenden weiter
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