Die Loge
Bestattungsunternehmer, aber trotzdem gut.«
»Hoffentlich hast du nicht recht. Wer hat angerufen?«
»Monsignore Donati. Er ist unterwegs.«
Gabriel stürzte eine Tasse Kaffee hinunter und zog einen beigefarbenen Trenchcoat an. Dann küßte er Chiara auf die Wange und hielt sie in den Armen.
»Versprichst du mir, vorsichtig zu sein, Gabriel?«
Unten auf der Straße wurde gehupt. Als sich Gabriel aus der Umarmung zu lösen versuchte, hielt Chiara ihn noch einen Augenblick länger an sich gedrückt; sie wollte ihn nicht gehen lassen. Als Monsignore Donati erneut hupte, diesmal drängender, ließ sie ihn los. Gabriel küßte sie ein letztes Mal auf die Wange.
Er steckte die Beretta in sein Schulterhalfter und lief die Treppe hinunter. Ein grauer Fiat mit vatikanischem Kennzeichen wartete vor der Haustür. Am Steuer saß Monsignore Donati, der einen schwarzen Anzug mit Priesterkragen und einen dunkelgrauen Regenmantel trug. Gabriel stieg vorne rechts ein und schloß die Tür. Donati startete, und sie fuhren in Richtung Tiber davon.
Der Morgen war grau. Ein böiger Wind trieb tiefhängende Wolken über den Himmel und wirbelte Schaumkronen auf dem Fluß auf. Der Geistliche hielt das Lenkrad mit beiden Händen umklammert und starrte mit weit aufgerissenen Augen nach vorn, während er abwechselnd Gas gab und ruckartig bremste. Gabriel hielt sich an der Armstütze fest und dachte, es sei ein Wunder, daß der Papst letzte Nacht lebend in den Vatikan zurückgelangt war.
»Fahren Sie oft, Monsignore Donati?«
»Gestern abend war das erste Mal seit ungefähr achtzehn Jahren.«
»Das hätte ich nicht vermutet.«
»Sie sind ein erbärmlich schlechter Lügner, Signor Allon. Ich dachte, in Ihrem Beruf müßte man überzeugend lügen können.«
»Wie fühlt sich der Heilige Vater heute morgen?«
»Eigentlich recht gut. Trotz der Aufregung von letzter Nacht hat er ein paar Stunden Schlaf gefunden. Er sieht seinem Ausflug über den Tiber mit gespannter Erwartung entgegen.«
»Und ich kann es kaum erwarten, ihn wieder sicher in den päpstlichen Gemächern zu sehen.«
»Damit sind wir zu zweit.«
Auf ihrer raschen Fahrt den Fluß entlang informierte Monsignore Donati seinen Beifahrer über die getroffenen Sicherheitsvorkehrungen. Paul VII. würde wie gewöhnlich seinen gepanzerten Mercedes benützen und auf der Fahrt zur Synagoge von Donati und Gabriel begleitet werden. Den unmittelbaren Personenschutz des Papstes würde ein Ring aus Leibwächtern der Schweizergarde in Zivil garantieren. Die römische Polizei und die staatlichen Sicherheitsdienste würden wie immer einen zweiten Schutzwall bilden. Die Fahrtstrecke vom Vatikan zum ehemaligen Ghetto würde von Carabinieri abgesichert und für den übrigen Verkehr gesperrt werden.
Vor ihnen ragte der quadratische Kuppelbau der Großen Synagoge auf – ein turmhoher Bau aus hellem grauem Stein und Aluminium, aus dessen Architektur persische und babylonische Einflüsse sprachen. Durch seine ungeheure Höhe und seine einzigartige Fassade hob sich der gewaltige Bau deutlich von den benachbarten ockergelben Barockbauten ab. Diese Wirkung war beabsichtigt. Die Gemeinde, die die Synagoge vor einem Jahrhundert erbaut hatte, hatte sie für die Männer jenseits des Tibers gut sichtbar machen wollen – für die Männer hinter den alten Mauern des Vatikans.
Hundert Meter vor der Synagoge kamen sie an einer Straßensperre der Polizei zum Stehen. Monsignore Donati ließ sein Fenster herunter, wies seinen vatikanischen Dienstausweis vor und wechselte ein paar Worte mit dem Beamten. Kurze Zeit später fuhren sie auf den Hof vor der Synagoge und hielten dort. Noch bevor Monsignore Donati den Motor abstellen konnte, tauchte bereits ein Carabiniere mit geschulterter Maschinenpistole auf. Gabriel gefiel, was er bisher an Kontrollvorkehrungen gesehen hatte.
Sie stiegen aus dem Fiat. Gabriel konnte nicht anders, als den Schatten der Geschichte zu spüren, der über diesem Ort lag. Rom war die älteste Diasporasiedlung in Westeuropa, und Juden lebten seit über zweitausend Jahren mitten in dieser Stadt. Sie waren schon hiergewesen, bevor Jesus sich Petrus von Galiläa erwählt hatte, um auf ihn seine Kirche zu gründen. Sie hatten die Ermordung Cäsars, den Aufstieg des Christentums und den Zerfall des Römischen Weltreichs miterlebt. Später waren sie von Päpsten als Gottesmörder verunglimpft, in ein Ghetto am Tiberufer zusammengetrieben, gedemütigt und rituell entwürdigt worden. Und in
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