Die Loge
zögerte, dann fügte er hinzu: »In der Synagoge.«
»Ah, ganz recht. Monsignore Donati wird sich freuen, wenn er erfährt, daß Sie einem gänzlich Unbekannten gesagt haben, wo er sich aufhält.«
»Entschuldigung, Pater, aber Sie …«
Lange unterbrach ihn. »Ich muß etwas für Monsignore Donati zurücklassen. Können Sie mich in sein Büro bringen?«
»Wie Sie wissen, Pater Beck, darf ich meinen Posten unter keinen Umständen verlassen.«
»Sehr gut«, sagte Lange mit versöhnlichem Lächeln. »Wenigstens das haben Sie richtig gemacht. Erklären Sie mir bitte, wie ich zum Büro des guten Monsignore komme.«
Der Gardist zögerte einen Augenblick unsicher, dann erklärte er Lange, wohin er gehen mußte. Die päpstlichen Gemächer waren menschenleer bis auf eine graugekleidete Ordensschwester, die mit einem Federwedel Staub wischte. Sie lächelte Lange zu, als er an der Tür zu Monsignore Donatis Büro vorbeiging und den nächsten Raum betrat.
Er schloß die Tür hinter sich und blieb kurz stehen, bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Die schweren Vorhänge waren zugezogen, so daß die Kuppel der Peterskirche nicht zu sehen war und der Raum in tiefem Schatten lag. Lange trat vor, ging über den einfachen Orientteppich auf den hölzernen Schreibtisch zu. Er blieb neben dem Drehsessel mit hoher Rückenlehne stehen und ließ eine Hand über den hellen Samtbezug gleiten, während er den Schreibtisch begutachtete. Ein zu schlichtes Möbelstück für einen so mächtigen Mann. Zu streng. Eine lederne Schreibunterlage, ein röhrenförmiger Ständer für Füller und Kugelschreiber, ein Spiralblock mit liniiertem Papier für Notizen. Ein weißes Telefon mit altmodischer Wählscheibe. Als er den Kopf hob, sah er an der Wand ein Marienbild. Die Muttergottes schien ihn aus dem Halbdunkel zu beobachten.
Lange griff in die Innentasche seines Jacketts, zog einen Umschlag heraus und ließ ihn auf die Schreibunterlage fallen. Er landete mit einem gedämpften metallischen Klirren. Der Attentäter sah sich ein letztes Mal im Arbeitszimmer um, dann machte er kehrt und verließ den Raum rasch.
Am Eingang zu den päpstlichen Gemächern blieb Lange einen Augenblick stehen, um den wachhabenden Gardisten streng zu fixieren. »Sie hören noch von mir«, knurrte er, dann wandte er sich ab und verschwand den Korridor entlang.
Der Schreibtisch im Büro von Kardinalstaatssekretär Marco Brindisi unterschied sich stark von dem schlichten Stück im Arbeitszimmer des Papstes. Er war ein wuchtiges Renaissancemöbel mit gedrechselten Beinen und vergoldeten Intarsien. Wer davor stand, fühlte sich sehr leicht unbehaglich, was Brindisis Absichten nur entgegenkam.
Im Augenblick saß dieser allein da, stützte sein Kinn auf die gefalteten Hände und starrte ins Leere. Vor wenigen Minuten hatte er von seinem auf den Petersplatz hinausführenden Fenster die Wagenkolonne des Papstes beobachtet, die sich auf der Via della Conciliazione eilig zum Tiber fortbewegt hatte. Unterdessen war Paul VII. vermutlich schon in der Synagoge.
Der Blick des Kardinals fixierte die in die Wand gegenüber seinem Schreibtisch eingelassene Reihe von Fernsehschirmen. Auch wenn Marco Brindisi das Ziel verfolgte, der Kirche wieder die Machtposition zu verschaffen, die sie im Mittelalter genossen hatte, war er durchaus ein Mann der Moderne. Die Zeiten, in denen vatikanische Bürokraten ihre Memoranden mit Gänsekiel und Tinte auf Pergament geschrieben hatten, waren längst vorbei. Brindisi hatte ungezählte Millionen dafür ausgegeben, die Maschinerie seines Staatssekretariats so aufzurüsten, daß die Kirchenbürokratie wie das Nervenzentrum eines modernen Staatsapparats funktionierte. Er schaltete den ersten Fernseher ein und wählte BBC International. Eine Hochwasserkatastrophe in Bangladesch, Tausende von Toten, Hunderttausende von Obdachlosen. Er notierte sich, daß der Vatikan und katholische Wohltätigkeitsorganisationen angemessene Summen spenden mußten, um das Leid der Flutopfer nach Möglichkeit zu lindern. Dann stellte er das zweite Gerät auf den großen italienischen Fernsehsender RAI ein. Auf dem dritten Fernseher ließ er CNN International laufen.
Er hatte seine Drohung wahrgemacht, den Papst bei dieser schändlichen Unternehmung nicht zu begleiten. Deshalb saß er jetzt nach allgemeiner Überzeugung an einem harmlos klingenden Rücktrittsgesuch, das den Heiligen Stuhl nicht in Verlegenheit bringen und keine unbequemen Fragen
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