Die Loge
Wirkung.
»Und was ist, wenn ich etwas weiß?«
»Dann würde ich gern mehr darüber erfahren.«
»Und was bekomme ich dafür?« Malone, stets der hellwache Journalist, würde eine Gegenleistung einfordern.
»Dafür rede ich mit Ihnen über die Nacht in Tunis«, sagte Gabriel, dann fügte er hinzu: »Und weitere dieser Art.«
»Ist das Ihr Ernst?«
»Benjamin war mein Freund. Ich würde fast alles tun, um seine Mörder aufzuspüren.«
»Also gut, einverstanden.« Malones Stimme klang plötzlich energisch. »Wie soll die Sache über die Bühne gehen?«
»Ist jemand bei Ihnen im Haus?« fragte Gabriel, obwohl er die Antwort bereits wußte.
»Zwei Assistentinnen.«
»Schicken Sie sie weg. Und lassen Sie die Haustür unversperrt. Sobald ich sehe, daß die beiden das Haus verlassen, komme ich rein. Kein Tonbandgerät, keine Kamera, keine faulen Tricks. Haben Sie mich verstanden?«
Gabriel beendete das Gespräch, bevor der Journalist antworten konnte, und steckte das Handy wieder ein. Kurze Zeit später öffnete sich die Haustür, und zwei junge Frauen traten auf die Straße. Als sie davongegangen waren, stieg Gabriel aus dem Kastenwagen und ging über den Platz zu Malones Stadthaus. Die Haustür war unversperrt, genau wie er es verlangt hatte. Er drückte die Klinke herab und trat über die Schwelle.
Auf dem Marmorfußboden der Eingangshalle musterten sie einander wie die Kapitäne gegnerischer Footballteams. Gabriel erkannte, weshalb man hierzulande nicht lange fernsehen konnte, ohne Malones Gesicht zu begegnen – und weshalb er als einer der begehrtesten Junggesellen Londons galt. Er war sportlich schlank und feingliedrig, mit Flanellhose, gestreiftem Hemd und burgunderroter Strickjacke untadelig gekleidet. Gabriel, der Jeans und eine Lederjacke trug und sich mit Sonnenbrille und Baseballmütze getarnt hatte, wirkte wie ein Mann aus einem der verrufeneren Viertel der Stadt. Malone streckte ihm nicht die Hand entgegen.
»Diese lächerliche Verkleidung können Sie ablegen. Ich gebe grundsätzlich keine Quellen preis.«
»Ich behalte sie lieber an, wenn es Ihnen recht ist.«
»Wie Sie wollen. Kaffee? Etwas Stärkeres?«
»Nein, danke.«
»Mein Büro liegt im ersten Stock. Ich denke, dort können wir uns am besten unterhalten.«
Malones Arbeitszimmer war der ehemalige Salon des Hauses: ein langer rechteckiger Raum mit wandhohen Bücherregalen und Orientteppichen. Mitten im Zimmer standen zwei antike Bibliothekstische – einer für Malone, der andere für seine Assistentinnen, die für ihn recherchierten. Malone schaltete seinen Computer aus, setzte sich in einen der Ohrensessel am Gaskamin und forderte Gabriel mit einer Handbewegung auf, in dem anderen Platz zu nehmen.
»Ich muß sagen, daß ich es als ziemlich bizarr empfinde, mit Ihnen im gleichen Raum zu sein. Ich habe schon so viel von Ihnen und Ihren Taten gehört, daß ich das Gefühl habe, Sie tatsächlich zu kennen . Sie sind eine wandelnde Legende. Der Schwarze September, Abu Jihad und dazwischen unzählige andere. Haben Sie in letzter Zeit mal wieder jemanden umgebracht?«
Als Gabriel nicht anbiß, fuhr Malone fort: »Auch wenn Sie eine morbide Faszination auf mich ausüben, muß ich gestehen, daß ich die Dinge, die Sie getan haben, für moralisch verwerflich halte. Meiner Ansicht nach ist ein Staat, der Attentate zu einem Werkzeug der Politik macht, nicht besser als der Feind, den er zu besiegen versucht. In vieler Beziehung ist er sogar schlimmer. In meinen Augen sind Sie ein gewöhnlicher Mörder, nur damit Sie wissen, wo ich stehe.«
Gabriel begann sich zu fragen, ob es ein Fehler gewesen war herzukommen. Aus langjähriger Erfahrung wußte er, daß solche Auseinandersetzungen nicht zu gewinnen waren. Er hatte schon zu viele dieser Art mit sich selbst geführt. Also saß er bewegungslos da, betrachtete Peter Malone durch seine dunkle Brille und wartete darauf, daß er zur Sache kam. Malone schlug die Beine übereinander und zupfte einen Fussel vom Hosenbein – eine Geste, die Nervosität verriet. Gabriel nahm sie befriedigt zur Kenntnis.
»Vielleicht sollten wir die Einzelheiten unserer Vereinbarung fixieren, bevor wir fortfahren«, sagte Malone. »Ich erzähle Ihnen, was ich über die Ermordung Benjamin Sterns weiß. Sie gewähren mir dafür ein Interview. Wie Sie wissen, habe ich schon früher über Geheimdienstthemen geschrieben und kenne deshalb die Regeln. Ich unternehme nichts, um Ihre wahre Identität zu enträtseln, und
Weitere Kostenlose Bücher