Die Loge
ein Motiv gehabt haben. Wenn es etwas gibt, das die Crux Vera verabscheut, sind es Enthüllungen über die schmutzige Wäsche des Vatikans. Der Orden betrachtet sich zuerst und vor allem als Beschützer der Kirche. Sollte Ihr Freund Beweise für etwas Belastendes ausgegraben haben, könnte er in die Feindkategorie gefallen sein. Und die Crux Vera könnte es für ihre Pflicht gehalten haben, ihn hart anzufassen – im übergeordneten Interesse der Kirche, versteht sich.«
Malone trank seinen Wein aus und schenkte sich nach. Gabriel hatte sein Glas nicht angerührt. »Haben Sie mit Leuten geredet, Fragen gestellt und Ihre Nase in Dinge gesteckt, die Sie nichts angehen, sind Sie sehr wahrscheinlich bereits auf dem Radar der Crux Vera aufgetaucht. Halten diese Leute Sie für gefährlich, werden sie nicht zögern, Sie liquidieren zu lassen.«
»Ich weiß Ihre Offenheit zu schätzen.«
»Und wir haben eine Vereinbarung.« Malone griff nach Notizbuch und Kugelschreiber, weil ihre Rollen plötzlich vertauscht waren. »Jetzt stelle ich die Fragen.«
»Aber denken Sie an die Regeln. Wenn Sie mich verraten …«
»Keine Sorge, ich weiß recht gut, daß die Crux Vera nicht die einzige Organisation ist, die mit pillería arbeitet.« Malone leckte den Zeigefinger an und schlug in seinem Notizbuch eine neue Seite auf. »Gott, ich habe so viele Fragen, daß ich kaum weiß, wo ich anfangen soll.«
Gabriel verbrachte die beiden folgenden Stunden damit, ohne große Begeisterung seiner Auskunftspflicht gegenüber Malone nachzukommen. Dann verließ er Peter Malones Haus und ging durch stetigen Regen über den Cadogan Square davon. In der Sloane Street zog er sein Handy aus der Tasche und rief Mordecai im Überwachungswagen an. »Du überwachst ihn weiter«, wies Gabriel ihn an. »Fährt er irgendwohin, beschattest du ihn.«
Peter Malone saß in seinem Arbeitszimmer im ersten Stock am Computer und tippte seine Notizen fieberhaft ins reine. Er konnte sein Glück noch immer nicht ganz fassen. Aus langer Erfahrung wußte er, daß Erfolg das Resultat einer flüchtigen Kombination aus harter Arbeit und purem Glück war. Manchmal fielen einem gute Stories einfach in den Schoß. Der Unterschied zwischen einem durchschnittlichen und einem erstklassigen Journalisten zeigte sich in dem, was er als nächstes tat.
Nach einstündiger konzentrierter Arbeit hatte er seine handgeschriebenen Notizen in zwei sauber gegliederte Memos übertragen. Das erste handelte von den Unternehmen, an denen der Agent mit dem Decknamen Schwert beteiligt gewesen war. Das zweite war ein Protokoll ihrer Diskussion über den Fall Benjamin Stern. Bewußt oder unbewußt hatte der Israeli ihm gerade den Aufhänger geliefert, den er für seine Story brauchte. Der israelische Geheimdienst ermittelte wegen der Ermordung des bekannten Historikers Benjamin Stern. Morgen früh würde er in Tel Aviv anrufen, sich das unweigerliche Dementi der Drohnen in der Zentrale des Diensts anhören und dann die ihm bekannten geheimnisvollen Einzelheiten kombinieren. Malone hatte dem Israeli nicht alles erzählt, was er über die Ermordung Sterns wußte, genau wie er sich sicher war, daß der Israeli sein Wissen nicht hundertprozentig preisgegeben hatte. Das gehörte zu diesem Spiel. Man mußte ein erfahrener Journalist sein, um den Unterschied zwischen Wahrheit und Desinformation zu erkennen, um zu wissen, wo im Schlick die Nuggets verborgen waren. Lief alles gut, konnte er bis zum Wochenende einen Artikel fertig haben.
Malone verbrachte einige Minuten damit, alle Zitate nochmals zu überprüfen. Er beschloß, Tom Graves, seinen Redakteur bei der Sunday Times, anzurufen und sich genügend Platz auf Seite eins reservieren zu lassen. Gerade wollte er nach dem Hörer greifen, aber bevor er ihn abnehmen konnte, wurde er von einem Schlag gegen die Brust zurückgeworfen. Er blickte an sich herab und entdeckte einen kleinen, rasch größer werdenden Kreis aus Blut auf seinem Hemd. Als er aufblickte, sah er den Mann kaum eineinhalb Meter von seinem Schreibtisch entfernt stehen: blondes, graumeliertes Haar, farblose Augen. Malone war so in seine Arbeit vertieft gewesen, daß er nicht gehört hatte, wie der Unbekannte ins Haus eingedrungen war.
»Warum?« flüsterte der Journalist, den Mund voller Blut.
Der Killer legte wie verwundert den Kopf schief und kam um den Tisch herum. »Ego te absolvo a peccatis tuis«, sagte er, indem er Malones Stirn leicht berührte. »In nomine Patris et Filii et
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