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Die Loge

Die Loge

Titel: Die Loge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Silva
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habe. Darauf weiß ich keine überzeugende Antwort. Ich war nur eine einfache Klosterschwester aus Oberitalien Sie waren die mächtigsten Männer Europas. Was hätte ich tun können? Was hätte irgend jemand von uns ausrichten können?
    Chiara stolperte auf die Toilette hinaus. Im nächsten Augenblick hörte Gabriel, wie sie sich heftig würgend erbrach. Antonella Huber saß schweigend da, hatte feuchte Augen und blickte mit ausdrucksloser Miene durch eine Terrassentür in den windgepeitschten Garten hinaus. Gabriel starrte die Blätter auf ihrem Schoß an, betrachtete die saubere, präzise Schrift von Schwester Regina Carcassi. Es war entsetzlich gewesen, diese Geschichte hören zu müssen, aber zugleich empfand er ein Gefühl überwältigenden Stolzes. Ein erstaunliches Dokument, diese wenigen vergilbten Seiten. Es fügte sich nahtlos in das Netz der Erkenntnisse ein, die er anderswo bereits selbst gewonnen hatte. Hatte ihm nicht Licio, der Alte aus dem Kloster, von Schwester Regina und Luther erzählt? Hatte ihm nicht Alessio Rossi von dem geheimnisvollen Verschwinden zweier Geistlicher aus der Deutschland-Abteilung des Staatssekretariats – der Monsignori Felici und Manzini – berichtet? Hatte Schwester Regina nicht bestätigt, daß sie die Assistenten von Bischof Sebastiano Lorenzi, Bevollmächtigtem des Staatssekretariats, Mitglied der Crux Vera und Freund Deutschlands, gewesen waren?
    »Und Sie können von Glück sagen, Herr Luther, daß es im Vatikan einen weiteren wahren Freund des deutschen Volkes gibt – einen Mann, der hoch über mir steht.«
    Dies war eine Erklärung für das Unerklärliche. Warum hatte Papst Pius XII. zum größten Massenmord der Weltgeschichte geschwiegen? Vielleicht weil Martin Luther einen wichtigen Mann aus dem Staatssekretariat, zugleich Mitglied des als Crux Vera bekannten Geheimordens, davon überzeugt hatte, daß eine päpstliche Verurteilung des Holocausts letztlich zur Entstehung eines jüdischen Staats in Palästina und zu jüdischer Kontrolle über die heiligen Stätten der Christenheit führen würde? Das konnte erklären, weshalb die Crux Vera so verzweifelt bemüht war, das Treffen in Brenzone geheimzuhalten – weil es den Orden und damit auch die Kirche mit der Ermordung von sechs Millionen europäischer Juden in Verbindung brachte.
    Chiara kam mit rotgeweinten Augen von der Toilette zurück und setzte sich wieder neben Gabriel. Antonella Huber wandte den Blick vom Garten ab. Ihre dunklen Augen musterten Chiaras Gesicht.
    »Sie sind Jüdin, nicht wahr?«
    Chiara nickte, dann reckte sie trotzig das Kinn. »Ich bin Venezianerin.«
    »Auch aus Venedig sind Transporte in die Vernichtungslager erfolgt, nicht wahr? Während meine Mutter hinter den Mauern des Herz-Jesu-Klosters in Sicherheit war, haben die Nazis und ihre Komplizen die venezianischen Juden zusammengetrieben.« Sie sah von Chiara zu Gabriel hinüber. »Und was ist mit Ihnen?«
    »Meine Familie stammt aus Deutschland.« Mehr sagte er nicht. Mehr brauchte nicht gesagt zu werden.
    »Hätte meine Mutter etwas tun können, um ihnen zu helfen?« Wieder starrte sie durch die Terrassentür ins Freie. »Bin auch ich schuldig? Lastet auf mir die Erbsünde meiner Mutter?«
    »Ich halte nichts von Kollektivschuld«, sagte Gabriel. »Und was hätte Ihre Mutter damals schon ausrichten können? Selbst wenn sie entgegen dem bischöflichen Befehl ihr Wissen über das Treffen in Brenzone verbreitet hätte, hätte das nichts geändert. Herr Luther hatte recht. Die Maschinerie war in Gang, das Morden hatte begonnen, und nur ein militärischer Sieg über Hitlerdeutschland konnte es beenden. Außerdem hätte ihr niemand geglaubt.«
    »Vielleicht wird ihr auch jetzt niemand glauben.«
    »Das hier ist ein vernichtendes Dokument.«
    »Es ist ein Todesurteil«, sagte sie. »Die Betroffenen werden es einfach als Fälschung abtun. Sie werden behaupten, Sie seien darauf aus, die Kirche zu vernichten. Das ist ihre bewährte Methode. Mit der arbeiten sie schon immer.«
    »Ich habe genügend zusätzliche Beweise, die es ihnen unmöglich machen, von einer Fälschung zu sprechen. Ihre Mutter mag im Jahr 1942 machtlos gewesen sein, aber jetzt ist sie es nicht mehr. Überlassen Sie diesen Bericht mir – das eigenhändig geschriebene Exemplar. Es ist wichtig, daß ich im Besitz des Originals bin.«
    »Sie können es unter einer Bedingung haben.«
    »Und die wäre?«
    »Daß Sie die Leute vernichten, die meine Mutter ermordet haben.«
    Gabriel

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