Die Logik des Verruecktseins
»bewachen«, haben ein kleineres Risiko, zum Kofferträger degradiert zu werden, als diejenigen Männchen, die sich weniger darum kümmern, ob ihre Weibchen sich in der Nähe von anderen Männchen bewegen oder nicht. Somit breitet sich im Verlauf der Evolution die Eifersuchtskapazität allmählich unter den Männchen aus. Die »Schienenbeißermännchen« sind demnach auf der einen Seite rührige Bekümmerer,
auf der anderen Seite aber unter Umständen sehr rigoros und aggressiv auftretende Artgenossen.
Die »Bodyguard«-Theorie
Auf dem Weg zur Menschwerdung kam dabei für die Primatenmännchen oder Protohumanen ein schwerwiegendes Problem hinzu. Irgendwann hörten die Hominidenweibchen auf, ihre Empfängnisbereitschaft nach außen zu signalisieren. Alle Primatenweibchen zeigen über artspezifische Merkmale ihre Empfängnisfähigkeit an, die dann zur erhöhten Wachsamkeit bei den Männchen führt. Die einzige Ausnahme sind die Menschenprimaten, bei denen die Weibchen von der Menarche bis zur Menopause theoretisch sogar alle vier Wochen empfängnisbereit sind, dieser Zeitpunkt jedoch nicht signalisiert wird. Dies ist seltsam, da, wie wir gesehen haben, unsere Vorfahren auf dem evolutionären Wege zum Menschen hin bezogen auf die Reproduktionshäufigkeit immer ausgeprägtere K-Strategen wurden.
Wozu immer häufiger empfängnisbereit sein, wenn doch letztlich immer nur wenige Nachkommen gezeugt wurden? Nach Ansicht der Primatologen entwickelte sich dieses Phänomen aus evolutionären Gründen im Primaten-Hominiden-Übergangsfeld vor vielleicht vier Millionen Jahren als weibliche Schutzstrategie gegen ein bestimmtes Risiko: Die häufigste Todesursache für junge Primaten lauert nämlich nicht in der feindlichen Umgebungssituation um die Gruppe herum, sondern kommt aus ihr selbst. Junge Primaten fallen bei verschiedenen Affenarten häufig dem Infantizid zum Opfer. Das bedeutet, sie sterben durch Tötung männlicher, erwachsener Artgenossen. Dies geschieht vor allem in Zeiten, in denen sich Hierarchieänderungen innerhalb der Gruppe ergeben. Die neuen dominanten Männchen töten dann nicht selten die Jungen, deren Väter sie nicht sind. Durch das Wegfallen des Stillens werden die Weibchen wieder empfängnisbereit und paarungsfähig. Genzentriert gedacht, tun die Männchen dies, da sie kein »Interesse« daran haben, in die Nachkommen
zu investieren, deren Väter sie nicht sind. Als die berühmte Primatologin Jane Goodall dies bei den von ihr in freier Wildbahn beobachteten Schimpansen in den 1970er-Jahren erstmalig beobachtete, war sie schockiert. 34 Die häufige Empfängnisbereitschaft der Weibchen-Frauen soll sich demnach evolutionär entwickelt haben, da sie hierdurch die Männchen-Männer und deren Aufmerksamkeit stärker an sich binden konnten. Damit hatten sie einen Verteidiger gegen Angriffe männlicher Artgenossen zur Seite, der den gemeinsamen Nachwuchs vor tödlichen Übergriffen anderer Männchen-Männer schützen konnte, weshalb man von der »Bodyguard-Theorie« spricht.
Es wäre schlüssig, wenn dadurch die Aufmerksamkeit auf mögliche partnerschaftliche Untreue bei Männern noch stärker ausgeprägt wäre als bei Frauen. Dass dies so ist, dafür geben mindestens zwei Tatsachen einen Hinweis. Zum einen sind extrem viele forensisch relevante Beziehungstaten, die von Männern begangen werden, im Dunstkreis von Eifersucht und Eifersuchtsrache angesiedelt. Zum anderen kennen wir eine deutliche Geschlechterdifferenz beim klinischen Phänomen des Eifersuchtswahns. Von ihm sind fast ausschließlich Männer betroffen, meistens im Rahmen von hirnorganischen Abbauprozessen, z.B. hervorgerufen durch jahrzehntelangen Alkoholmissbrauch. Wiederum übernimmt ein phylogenetisch altes, realitätsfernes, rückkopplungsfreies, aber robustes Gehirnprogramm das Geschehen und zwingt das Individuum in seinen Interpretationsbann. Von der Schwächung der höheren und phylogenetisch neueren Bewertungsstrukturen hängt die erlebte emotionale Dringlichkeit und die Realitätsnähe des Interpretationsbanns für den Betroffenen ab. Es finden sich wahnnahe Vorstufen bei zerrütteten Eheverhältnissen mit Schwächung des Selbstwertgefühls durch alkoholbedingte Potenzprobleme bis hin zu grotesk anmutenden Unterstellungen mit Wahnwahrnehmungen bei schizophrenieformen Krankheitsbildern.
Ein behandelter alkoholkranker Patient bezichtigte seine Frau einmal der ausschweifendsten Nymphomanie. Sie würde es mit jedem Nachbarn treiben, mit jedem
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