Die Lokomotive (German Edition)
Masse meinen Kopf. Sie sickerte in meine Ohren und in meine Nasenlöcher. Die Augen kniff ich fest zu. Ich unternahm gar nicht erst den Versuch, etwas sehen zu wollen. Genauso hatte ich es mir vorgestellt, darauf hatte ich mich eingestellt.
Mit meiner verletzten Hand hielt ich den Schlauch in meinem Mund fest, mit der anderen Hand versuchte ich mich durch die Schlammkuhle zu ziehen, während meine Füße schoben.
Womit ich nicht gerechnet hatte, war das heftige Brennen meiner verletzten Hand, als das Salzwasser durch meinen Verband an die Wunde drang. Dennoch bewahrte ich Ruhe.
Je weiter ich in das Loch unter dem Wagon rutschte, desto schwieriger fanden meine Füße einen Halt. Ich merkte, wie meine Beine in der Luft strampelten, wie bei einem hilflosen Käfer, der mit dem Rücken auf einer Pfütze schwimmt.
Als ich überraschend Halt fand, drückte ich mich hektisch und zu stark ab, so dass sich mein Kopf tiefer in den Schlamm grub. Gleichzeitig stieß der Schlauch auf der anderen Seite auf einen Widerstand und bohrte sich hart in meinen Rachen.
Der stechende Schmerz löste meinen Schluckreflex aus, Schlamm gelangte über meine Nase in den Hals. Außerdem öffnete ich für einen Sekundenbruchteil die Lippen, so dass auch Schlick in meinen Mund floss. Panisch hob ich den Kopf und rammte mit meiner Schädeldecke gegen den Stahl über mir. Ich grunzte vor Schmerz, Luftblasen blubberten aus meiner Nase, schwer wie das Gas bei einem Geysir in Island.
Ich verlor mein Gleichgewicht und die Orientierung in dieser beinahen Schwerelosigkeit und drehte mich um meine eigene Achse. Dabei biss ich fest auf den Schlauch, meine Kiefergelenke knackten. Es war wie eine Todesrolle, die ein Krokodil ansetzt, wenn es sein Opfer geschnappt hat, um dem Tier den Rest zu geben. Nur kam ich mir vor wie das Opfer.
Ich dachte daran, umzudrehen und zurückzukehren, doch ich konnte nicht mehr sagen, in welche Richtung das sein sollte. Die Grube schien endlos tief, während über mir der Wagon die Breite einer Scheune maß.
Ich klammerte mich an die einzige Tatsache, die ich mit Sicherheit behaupten konnte: Ich bekam Luft durch den Schlauch. Indem ich mich wie ein kleines Baby zusammenrollte und zur Ruhe zwang, stabilisierte ich meine Lage. Solange ich Luft holen konnte, hatte ich eine Chance.
Die Hand brannte wie Feuer, aber ich wusste, das war lediglich das Salz in meiner Wunde. In meinem Kopf dröhnte ein Schmiedehammer, aber ich hatte mich an einer stumpfen Platte gestoßen, für eine Platzwunde sollte das nicht gereicht haben, bluten dürfte ich nicht. Der Kloß im Magen rührte ebenfalls von dem Zusammenstoß her, war also auch nicht bedrohend. Unangenehm fühlte sich der zähe Schlick im Hals an, wie er die Speiseröhre verklebte. Gleichzeitig musste ich sowohl gegen Erstickungsangst als auch gegen das Würgegefühl ankämpfen. Aber das war rein psychisch, ich durfte nur nicht weiter in Panik geraten. Einem der beiden nachzugeben, bedeutete, ohne den Ausgang aus der Grube zu kennen, den sicheren Tod. Ich würde mir mit einigen tiefen Schlucken Schlamm in die Lungen pumpen, das Bewusstsein verlieren und sterben.
Ich konnte atmen, und, was noch wichtiger war, in der Richtung des Schlauches musste der Ausgang aus meinem feuchten Grab liegen. Dieser Gedanke trieb mich an, und ich suchte systematisch nach einem Halt für Füße und Hand.
Endlich bekam ich die Kante auf der anderen Seite des Wagons zu fassen. Kurz darauf stieß das andere Schlauchende wieder gegen etwas, und das Ende in meinem Mund schabte über die bereits zuvor verletzte Stelle im Rachen und wurde tiefer in den Hals getrieben als zuvor.
Ich schrie auf. Dunkles Blubbern über mir. Das war mein Rest Luft. Mit einem Ruck zog ich mir den Schlauch aus meinem Mund, riss die Augen auf und zerrte mich mit all meiner Kraft an der Kante durch die Schwärze. Und rutschte ab.
Ich tauchte tiefer, und während ich den ersten Schlamm einatmete, krallten sich meine Hände nacheinander an der Metallkante über mir fest. Mit der schwindenden aber verzweifelten Kraft des Ertrinkenden wuchtete ich mich hoch, meinen Kopf über Wasser.
Wie ein Tiefseetaucher schoss ich auf der anderen Seite aus der Grube und rammte mit meinem Kopf die Kante einer Holzplatte. Ich jaulte auf vor Schmerz, hysterisch, unmenschlich.
Ich japste nach Luft, prustete aus, atmete röchelnd ein und hustete darauf Schlammklumpen aus. Für einige Zeit waren die
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