Die Lokomotive (German Edition)
gesunden Hand den Schlamm beiseite. Schlick rutschte nach.
„Ich kann Sie hören. Sie graben!“
Die entstandene Vertiefung füllte sich mit Wasser. Mit jeder Hand Schlamm, die ich wegschaufelte, sackte eine halbe Hand Sand nach, und der Rest füllte sich mit Wasser. Durch meine körperliche Arbeit wurde mir warm, und ich hörte auf zu zittern.
„Ja, Herr Ochs, weiter so.“
Ich hielt inne, atmete durch, „Es ist sinnlos. Die Kuhle füllt sich mit Wasser.“
„Herr Ochs, es ist loser Schlamm und Wasser. Und wie dick kann die Bodenplatte eines Wagons sein? Was meinen Sie? Was schätzen Sie? Ich schätze einen halben Meter. Da können Sie sich drunter durchschieben!“
„Wenn ich auch nur einen Moment festklemme, ertrinke ich.“
„So werden Sie auch ertrinken.“
Ich schwieg.
„Ohne etwas zu tun!“, setzte er hinzu. Herr Baehr hustete und stöhnte.
„Was machen Ihre Verletzungen?“, fragte ich.
„Die sind uninteressant. Sie sind jung und müssen hier raus. Sehen Sie einen Schlauch bei sich irgendwo?“
„Was für einen Schlauch?“
„Meine Güte, irgendeinen. Liegt irgendwo bei Ihnen ein Schlauch?“
In Hüfthöhe baumelten zwei dicke graue Schläuche bis ins Wasser.
„Ja.“
„Können Sie einen abreißen? So lang wie möglich! Ist er hohl? Dann können Sie nämlich dadurch atmen, wie durch einen Schnorchel!“
Ich staunte über Herrn Baehr. Sein Ideenreichtum spornte mich an. Ein langer Schlauch, senkrecht nach oben durch die Trümmer geführt, würde mir als Schnorchel wertvolle Zeit schenken, sollte das Wasser bis zu meiner Rettung höher steigen. Ich müsste dann umspült vom kalten Nordseewasser liegen und ruhig atmend auf die Retter warten. Bräuchten sie zu lange, würde ich rasch zu frieren beginnen und das Mundstück irgendwann verlieren.
Ich riss und drehte an dem fingerdicken Schlauch, bis ich die gut anderthalb Meter in der Hand hielt. Dann pustete ich durch, und einige Tropfen liefen am Ende hinaus. Vorsichtig roch ich, aber außer Gummi konnte ich keinen bestimmten Geruch erkennen.
Der Schlauch war ziemlich steif, fast wie Plastik. Das war gut, denn so konnte ich überprüfen, ob Herr Baehr Recht hatte mit seiner Annahme, die Barriere wäre nicht breiter als einen halben Meter. Wenn dem so wäre, müsste ich den Schlauch unter dem Wagonboden durchstecken können, bis er ihn sehen könnte. Sofort bohrte ich den zu einem breiten U gebogenen Schlauch in den Schlamm und merkte mir, wie das eine Ende auf der anderen Seite nach oben ragen musste.
„Herr Baehr, ich bohre gerade den Schlauch unter dem Wagon durch!“
„Gut.“
Es ging in der Tat einfacher, als ich dachte. Der Schlamm war wirklich dünn und wässrig. Dann gab der Schlauch mit einem Ruck nach. Das musste die andere Seite sein.
„Und?“, rief ich.
„Ja, ich kann den Schlauch sehen! Ich kann ihn sehen!“
Derart euphorisch hatte Herr Baehr noch nicht geklungen.
„Wunderbar. Dann werde ich versuchen, mich zu Ihnen durchzugraben.“
Wieder pustete ich als Erstes durch den Schlauch, um ihn von dem Wasser und dem Schlamm zu befreien. Ich pustete, bis das feuchte Röcheln im Schlauch verschwunden war. Mit meiner verletzten Hand hielt ich ihn fest, mit der anderen schaufelte ich Schlick aus der flachen Grube, die nach und nach immer tiefer wurde, obwohl die Ränder laufend einbrachen und Wasser hereinlief, so dass die Wasseroberfläche auf einem Level blieb.
Die Körner des Schlicks rannen sämig zwischen meinen Fingern hindurch. Erfreulicherweise kam ich mit dem Graben so gut voran, dass ich weniger Zeit zum Ausheben der Kuhle brauchte, als ich angenommen hatte.
Bevor ich mich an meinen Tauchgang mit Schnorchel machte, blies ich noch einmal durch. Alles in Ordnung.
Außer Atem, aber durch meine körperliche Arbeit zum ersten Mal warm, rief ich, „Herr Baehr, Sie können den Tisch decken. Ich komme jetzt!“
„Ja.“
Mein Lächeln verflog so schnell, wie mir der Gedanke an den Kommentar gekommen war. Dann nahm ich mein Ende des Schlauches in den Mund und atmete regelmäßig ein und aus. Es roch und schmeckte penetrant nach Gummi. Leise strömte die Atemluft durch meinen Schnorchel und erzeugte dabei einen holen Ton. Nach einigen Atemzügen hatte ich mich daran gewöhnt, ausschließlich durch meinen Mund zu atmen.
Kopfüber glitt ich in den graubraunen Schmant.
Schweigend umschloss die graue
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