Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
imposante, bärbeißige Anwesenheit um einiges geschrumpft. Das enge Beisammensein machte, dass sich etwas Scharfes und Männliches sich zu dem Rosenwasserduft und zu Angelicas Maiglöckchenduft gesellte, ein bisschen wie Rauch und Wolle. In einen schwarzen Mantel mit passendem Hut gekleidet, wobei nur ein winziges Stück seines weißen Hemds unter dem Halstuch in gedeckten Farben zu sehen war, war der Earl heute formeller gekleidet, als Angelica ihn je gesehen hatte, außer vielleicht an dem Abend ihrer ersten Begegnung. Er nahm seine Pflichten als Anstandsdame offensichtlich sehr ernst – wenn auch widerwillig.
„Guten Abend, Mylord“, sagte Angelica. „Wie freundlich von Ihnen, dass Sie uns Gesellschaft leisten. Maia sprach soeben davon, wie dankbar sie ist, dass Sie sich unsere Sicherheit so zu Herzen nehmen, dass Sie sogar die Mühe auf sich nehmen, uns zu begleiten.“
Maia hielt sich nicht zurück und stieß mit ihrem spitzen Ballschuh nach Angelicas Knöchel, aber die war darauf vorbereitet und hatte ihren Knöchel schon außer Reichweite gebracht. Aber jedes weitere Wort erstarb auf ihren Lippen, als sie wieder zu Corvindale sah.
Der Kutsche war mit einem Ruck angefahren, aber der Mann saß dort fest, mit einem sehr merkwürdigen Gesichtsausdruck. Er schien wie versteinert, seine harten Gesichtszüge jetzt noch unbeweglicher als sonst. Dunkles Haar glänzte im dämmrigen Mondschein, von den Schläfen aus war es zwar glatt nach hinten gebürstet, aber es lag ihm in dichten, etwas wilden Locken bis auf den Kragen herab.
Maia hatte die hübsche, schmale Nase sowie ihr Gesicht dem kleinen Fenster mit den Vorhängen davor zugewandt und wollte offensichtlich nicht zu ihm hinsehen. Und Mirabella, deren sonstige Geschwätzigkeit ihr mit dem Einsteigen ihres Bruders abhanden gekommen zu sein schien, war damit beschäftigt, an dem Spitzenbesatz auf ihrem Handschuh herumzuspielen.
Angelica begriff, dass Corvindale sie anzustarren schien ... nein, ihre Ohren. Und dass er anscheinend Schwierigkeiten hatte zu atmen. Hatte er erkannt, dass sie von Voss waren? Versuchte er gerade, seine Wut zu beherrschen?
Aber die Empfindung, die sie dort in seinem Gesicht wahrnahm, schien nicht so sehr Wut denn eher etwas wie Schock zu sein. Oder Schmerzen?
„Mylord?“, fragte sie und fiel leicht gegen Maia, als die Kutsche eine scharfe Kurve nahm. Er antwortete nicht.
Das Licht in der Kutsche flackerte, als sie an einer Straßenlaterne vorbeifuhren, und vermittelte ihr den Eindruck, Corvindale habe geblinzelt oder eine Art von abweisender Geste gemacht. Seine Finger schlossen sich fest um eins seiner Knie, die andere Hand um einen Spazierstock, der wie sie glaubte, ihm eher als Waffe denn als Gehhilfe Dienste leistete. Zumindest hoffte sie das.
Trotz seiner Absicht, sie vor jedweder Gefahr zu beschützen, die ihnen von Vampiren drohen mochte, war der Earl wohl nicht zu einer Unterhaltung aufgelegt. Gut. Angelica ebenso wenig.
Sie wandte sich wieder dem Fenster und der Aussicht dort zu und schob den Vorhang zur Seite.
Aber etwas störte sie. Das ungemütliche Schweigen in der Kutsche, das Geräusch von rauen, gehetzten Atemzügen, gerade noch hörbar neben dem Klappern der Räder, die Tatsache, dass sie keine weiteren Straßenlampen zwischen den Gebäuden zu sehen bekam ... und dieser merkwürdige Ausdruck auf seinem Gesicht.
Angelica wandte sich wieder dem Earl zu und hatte in dem merkwürdigen Licht den Eindruck, dass seine Augenlider flatterten. Seine Lippen waren schmerzverzogen, und er schien unfähig sich zu rühren.
„Lord Corvindale!“, rief sie aus und stand abrupt auf. Ihr Kopf bürstete an der Kutschendecke entlang, und sie fiel gegen die Wand. Ihre schrille Stimme drang selbst durch ihr Schmollen zu Maia durch, und auch ihre Schwester drehte sich um. „Sind Sie krank?“
„Was ist mit Ihnen?“, fragte Maia. Der beleidigte Unterton war aus ihrer Stimme gewichen, und auch sie lehnte sich zu Corvindale hinüber.
Aber der Earl schien vor ihnen zurückzuweichen, seine Augen blitzten finster. „ Zu...rück. “
Seine Lippen bewegten sich. Angelica war sich sicher, dass er genau das gesagt hatte, auch wenn es eher wie ein gekeuchtes Flüstern herausgekommen war.
„Corvindale, was ist mit Ihnen?“ Auch Mirabella war jetzt mit ihrer Aufmerksamkeit nicht mehr beim Handschuh. Da sie neben ihrem
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