Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
eingestanden hätte. Auf dem dicken, cremefarbenen Papier mengte sich der Duft von Angelicas Fingerabdrücken dem der Tinte bei, und überlagerte den Geruch von schalem Bier und altem Schweiß. Voss atmete ein. Er verspürte ein heftiges Stechen, ungewohnt und überraschend, es brannte tief ihn ihm ... ein Stechen, das nichts mit der andauernden Pein gemein hatte, die nunmehr Teil von ihm geworden war, dort hinten an seinem Mal.
Als die kleine, kalte Schlange von Kaiser Bonapartes Uhrenkette aus dem Päckchen fiel, wusste Voss, wie er dem Brennen dort ein Ende setzen konnte – wenn er nur wollte.
Es wäre einfach. Und sehr, sehr lustvoll. Schließlich lebte er doch nur für sein Vergnügen und die Lust ... oder etwa nicht?
Das war alles, was ihm blieb.
Und dennoch ... als er mit der Kette spielte und den beigelegten Brief auffaltete, sagte er zu sich selbst, dass er nicht beabsichtige, sich selbst in Gefahr zu bringen, indem er Jagd auf Angelica machte – denn Dimitri und Giordan Cale würden jetzt verstärkt nach ihm Ausschau halten. Und er hatte von Rubey gehört, dass sogar Woodmore eine geheime Stippvisite in London riskiert hatte, um Voss zu suchen. Der Brief raschelte in seinen Händen.
Ihre Handschrift war feminin, mit vielen Schnörkeln und Unterlängen versehen. Sie passte zu ihr, ebenso wie die Tintenspritzer und der verwischte Abdruck eines Fingers, die ein Bild eiliger Heimlichtuerei heraufbeschworen. Er fand es merkwürdig intim, zum ersten Mal die Handschrift einer Frau zu sehen. Es war ein bisschen wie ihre nackte Hand zu berühren, nachdem man ihr den Handschuh abgenommen hatte.
Haben Sie geglaubt, ich wüsste nicht sofort, nachdem ich sie in Händen hielt, wem sie gehört? , schrieb sie. Wenn es mir nicht ein so drängendes Anliegen wäre, London von Ihrer Gegenwart zu befreien, würde ich lügen und sagen, ich hätte nichts daraus lesen können, denn sollten diese Informationen – hier hatte sie die folgenden Worte durchgestrichen und unleserlich gemacht und fuhr dann fort: Aber ich wage es nicht zu lügen, aus Angst, Sie würden das als Vorwand für ein Bleiben hier nutzen. Und Sie müssen gehen, ich möchte Sie nie wieder sehen, aber ich wünsche Ihnen auch nicht den Tod. Was den Besitzer dieses Gegenstandes betrifft ... sein Tod wird kommen, nicht auf einem Schlachtfeld, nicht durch einen Aufstand oder eine andere Art von Anschlag, aber auf einem Totenbett, umgeben von lediglich drei Leuten. Das Zimmer ist weder groß noch feudal ausgestattet, aber es ist auch nicht ärmlich oder heruntergekommen. Es fühlt sich an, als läge dies ein paar Jahre in der Zukunft. Die Tatsache, dass er abgesehen von den dreien alleine ist und dass sein Körper alt und verbraucht ist und sein Gesicht um ein paar Jahre gealtert, legt nahe, wie mächtig er jetzt auch sein mag, all das wird dereinst verschwunden oder stark abgenommen haben. Das ist alles, was ich Ihnen hierzu sagen kann. Ich schließe mit Adieu.
Sie hatte nicht unterschrieben.
Das entsprach ganz sicher nicht den Briefen, die er sonst von Frauen erhielt. Keine Andeutung von amour , nirgends.
Dennoch ... seinen Tod wünschte sie nicht. Das war zumindest etwas.
Aber dann, was kümmerte es ihn, was sie dachte?
Voss, faltete den Brief wieder zusammen und erwog, ob er ihn dort an den Kerzenstummel halten und dann in einem der Bierkrüge verbrennen lassen sollte – das währte jedoch nur kurz. Stattdessen steckte er ihn sich in seine Brusttasche.
Also, dann. Woodmore war nach London zurückgekehrt, zumindest vorübergehend. Das war nicht das erste Mal, dass der Vampirjäger Voss nach dem Leben getrachtet hatte ... aber es wäre wohl ratsam, die Schicksalsgöttinnen nicht herauszufordern. Da er die Kette nun von Angelica zurückerhalten hatte, zusammen mit diesen wertvollen Informationen, würde er London verlassen und sich aufmachen nach ... Sankt Petersburg, entschied er sich, einfach so. Er spitzte die Lippen, tat sich noch einen Schluck von dem dünnen, faden Gebräu im Bierkrug an und entschied, er würde Angelica eine kleine Dankeskarte zukommen lassen, worin er seine Abreise bestätigte. Und endlich die letzten Gewissenbisse, die ihn jetzt noch umtrieben, ebenfalls hinter sich lassen.
Auf dem Weg nach Sankt Petersburg würde er einen kurzen Halt bei Cezar Moldavi einlegen. Er würde dem Bastard eine kleine Auswahl aus der Geschichte verkaufen und dann – mit noch
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