Die Londoner Drakulia Vampire 01 - Luzifers Wüstling
und Rubey wären intim zugange gewesen. Es war eine durchaus naheliegende Annahme, selbst für eine so behütete junge Frau, und ganz besonders nach allem, dem sie ausgesetzt gewesen war, aber Angelica hatte ihre rasche Auffassungsgabe schon unter Beweis gestellt.
„Wir waren ausgegangen, um unsere Geschäfte miteinander zu regeln. Um meine Schulden zu begleichen. Meine Börse ist jetzt um einiges leichter.“ Der scherzhafte Ton wich ihm aus der Stimme. Und Rubey, die er als eine Freundin betrachtete, hatte ihn aus ihrem Etablissement jetzt so gut wie verbannt. „Wenn ich auch nur den Hauch eines Verdachts gehabt hätte, dass Belials Männer uns gefunden hätten und auch am Tage angreifen würden, wäre ich nie fort gegangen. Aber weder Rubey noch ich konnten ahnen, dass einer ihrer treuesten Lakaien sie verraten würde.“
„Das Tageslicht? Also ist dieser Teil davon wahr? Sie können bei Tage nicht ausgehen?“
Voss nickte und wünschte, er hätte dieses kleine Detail ausgespart. Sie schien ohnehin schon zu viel zu wissen. „Ich bin sehr erleichtert, dass wir rechtzeitig zurückkamen, bevor Ihnen etwas Schlimmeres widerfahren konnte. Eines der Zimmermädchen schaffte es, aus dem Haus zu fliehen und uns zu benachrichtigen.“
„Aber Sie kamen zu spät für Ella.“ In ihrer Stimme lag ein Vorwurf, und Voss stellte fest, dass er das tote Mädchen schon vergessen hatte.
„Nein“, sagte er. Obwohl es schon über ein Jahrhundert zurücklag, dass er den Tod eines Sterblichen verursacht hatte, damals durch unmäßiges Trinken, hatte er auch gelernt, dies als einen unumgänglichen Bestandteil der Drakulia hinzunehmen: Eben jener Zwang, sich vom Blut Sterblicher zu ernähren. Man konnte lernen, den blindwütigen Zwang zu beherrschen und das Opfer am Leben zu lassen, wie Voss es schon früh gelernt hatte, aber viele der Drakulia bekümmerte das wenig. Sie hatten ebenso wenig Grund, sich um das Leben ihrer Opfer Sorgen zu machen, wie ein Metzger dies beim Schlachten seiner Kühe oder seiner Schafe tat.
So war es denn auch von Luzifer gewollt, so war sein Plan.
Ella hingegen war Opfer eines außerordentlich bösartigen Vampyrs geworden, und Voss hatte Sehnen und zerfetztes Muskelfleisch unter der aufgerissenen Haut an ihren Schultern und Hals gesehen. Und Blut so dunkel und reichhaltig, es schien fast purpurn, der zersplitterte Schlüsselbeinknochen, der aus ihr herausragte, und die grausame Verdrehung ihres Halses. Er schwieg.
Es hätte Angelica sein können.
„Wie lange werden die mich noch jagen?“, fragte sie mit dünner Stimme. „Wann wird es aufhören?“
„Moldavi wird nicht ruhen, bis er seine Schwester wieder hat, oder bis er sich an Ihrem Bruder gerächt hat, dass der sie ihm weggenommen hat.“
„Chas hat die Schwester eines Vampyrs mitgenommen? Wollen Sie sagen, er habe sie entführt?“ Überraschung und Verwirrung traten an Stelle der Angst in ihre Stimme. „Was um Himmels Willen meinen Sie damit? Wie viele von diesen Kreaturen gibt es denn?“ Panik lag jetzt in ihrer Stimme.
„Um ehrlich zu sein, ich weiß nicht, ob er Narcise entführt hat ... oder ob sie – ehem – zusammen durchgebrannt sind. Zu diesem Zeitpunkt sind das alles nur Spekulationen, aber ich weiß, dass Moldavi Ihren Bruder sucht, weil Narcise bei ihm ist. Oder zumindest mit ihm gesehen wurde, in Paris. Moldavi steht auf ziemlich engem Fuß mit Napoleon und hält sich schon eine ganze Weile dort auf. Und bis er Narcise wiederhat, oder bis er Woodmore findet, sind Sie weiterhin in Gefahr, weil Moldavi Sie als Köder oder als Geisel für Narcises Rückkehr benutzen will. Und wenn Ihr Bruder tot ist – “
„Er ist nicht tot.“
Voss hielt inne. „Sie sind sich da sicher?“
Aber sie hörte ihm nicht zu. Es war, als würde sie nur zu sich selbst reden. „Wollen Sie damit sagen, mein Bruder sei mit einem Vampyr durchgebrannt? Wie können Sie nur auf derlei Gedanken kommen? Chas würde niemals etwas mit solchen Monstern zu tun haben wollen. Oder ist sie etwa keine dieser schrecklichen Kreaturen, sondern nur die Schwester von einem?“ Ihre Augen brannten vor vorwurfsvoller Empörung.
„Narcise ist eine von ihnen, jawohl“, erwiderte er und fühlte sich, als begebe er sich auf hauchdünnes Glatteis. Und wieder fragte er sich, warum er sich in drei Teufels Namen darum scherte, ob er hier hinfiel. Denn wenn das eintrat, gäbe es keinen
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