Die Lucifer-Connection (German Edition)
nicht in der Provinz. Die Neger-Dealer – fast ausschließlich Nigerianer, klar – fahren mit ihrem Koks und Heroin vor allem in der U4 herum, hauptsächlich zwischen den Stationen Spittelau und Längenfeldgasse, und in der U6, ebenfalls von der Längenfeldgasse oder Kennedybrücke bis Spittelau, im Sommer auch weiter, bis zur Donauinsel. Sie versorgen auf den Bahnsteigen oder in den Zügen ihre Kunden – lautstark und sehr auffällig. Wie könnten Junkies anders? Ähnliches gilt für die Straßenbahnlinie 5, die zwischen Bahnhof Wien Mitte und Westbahnhof verkehrt und am Franz-Josefs-Bahnhof vorbeifährt. Das ist die Lieblingslinie verwesender Sandler, widerlicher Junkie-Kids und schwarzer Dealer.“
„Du solltest Reiseführer schreiben.“
„Damit wir hier noch mehr Piefke kriegen? Nein, danke!“
„Noch was?“
„Ich kann hier den ganzen Tag den Privatdozenten für dich spielen. Needle-Parks gab es immer wieder verschiedene: den Auer-Welsbach-Park, den Beserlpark auf der Wienzeile beim Naschmarkt, den Resselpark am Karlsplatz. Gelegentlich müssen die armen, hilflosen Drogenabhängigen nach Beschwerden der Anrainer ein bissl weiterwandern. Crack spielt in Wien so gut wie keine Rolle, ebenso wie Crystal Meth, das sind exotische Einzelerscheinungen. Eher stark verschnittenes Heroin, aber viel hochprozentiger als in New York zum Beispiel. Natürlich Koks, Methadon, Rohypnol, diverse Hustensäfte. Ich kannte zwar früher einmal ein paar Freebaser, aber die machten das auch nur neben dem ,normalen‘ Kokssniefen. Die Türken importieren angeblich das Heroin, Koks jetzt vielleicht die Russen, weiß ich nicht genau, Speed und Tabletten kommen aus Polen und anderen Ex-Ostblockstaaten.“
„Vielleicht solltest du doch dein Hobby zum Beruf machen und Touren veranstalten.“
Eine dralle, gutgebaute Blondine nahm Gills Bestellung auf und wandte sich dann an Trash. „Darf’s noch was für Sie sein, Herr Doktor?“
„Im Moment nicht, aber später wird mir schon noch was einfallen, Fräulein Gertrud…“
Die Blondine hob anzüglich die Augenbrauen und ging zum nächsten Tisch. Trash war jetzt bester Laune und gesprächig.
„Ah ja, ist ein paar Jahre her, aus meinen ersten Jahren in der Kirchengasse. Da hat es ein paar Häuser weiter eine Pizzeria gegeben, die von einem vietnamesischen Ehepaar geleitet wurde. Dort waren auch immer drei Kinder, von vier bis zehn in etwa, und manchmal auch ,Cousins‘ mit wechselnden Visagen, die dort ausgeholfen haben. Man weiß ja, Asiaten sterben in westlichen Großstädten nicht, sie verschwinden nur, und ihren Pass kriegt ein anderer … Zum Teil dürften die Leute auch in dem Lokal gewohnt haben, weil es hinten einmal heftige Bauarbeiten gab – und dann war da plötzlich eine Treppe, hinauf zu ein paar niedrigen Zimmerchen, die sie offenbar über einen eingezogenen Zwischendecke eingerichtet haben.“
„In denen haben sie dann ein paar hundert Illegale untergebracht …“
„Jedenfalls: Ich war da oft und gern essen und trinken. War ganz gut, die Leute waren freundlich. Je mehr Zeit verging, desto mehr fiel mir aber auf, dass da abgerissene Schmuddeltypen reinkamen, ein Achtel oder einen kleinen Braunen bestellten, mit einem Tausender bezahlten, also Schilling damals noch, nie Wechselgeld bekamen, eine Zeitlang hinten am Klo verschwanden und dann wieder gingen, ohne ihr sauteures Getränk auch nur anzurühren. Ähnlich war’s mit den hektischen Yuppie-Schweinderln von den Werbe- und Filmfirmen rundherum, die das gleiche Spiel betrieben, nur eher mit dreitausend Schilling.“
„Wenn sich die Preise an unterschiedlicher Kaufkraft unterschiedlich orientieren, dann nenne ich das eine äußerst differenzierte Marktwirtschaft.“
„Wie sich später herausstellte, haben die dort natürlich Heroin und Kokain verkauft. Der Kunde rief an, bestellte telefonisch eine bestimmte Pizza, mit der Nummer aus der ,Speisekarte‘; der Vietnamese legte die gewünschte Ware in den Kühlschrank neben dem Eingang zum Klo; der Kunde tauchte eine Viertelstunde später auf, lieferte sein Geld ab, holte das Zeug und konsumierte es entweder gleich am Klo oder irgendwo anders. Dann war mir auch klar, warum der Wirt immer ganz erstaunt schaute, wenn ich telefonisch eine Pizza bestellte und sie dann auch abholen wollte. Mit sowas hat der nicht gerechnet – aber er ist wenigstens immer schnell eine machen gegangen und hat mir ein Achtel spendiert.“
„Auf diesem Niveau läuft das in
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