Die Lucifer-Connection (German Edition)
kein bisschen, in ihren schwarzen Anzügen mit den Kevlar-Westen darunter und dem beruflich bedingten festen Schuhwerk.
„Das Restaurant wurde 1774 als Fuhrmannsschenke und Pferdestation gegründet“, sagte sein Gegenüber und deutete mit der Hand Richtung Hauptverkehrsstraße. „Die hieß damals noch Kornweg. Ach ja, ich habe gehört, Sie sind zum zweiten Mal Großvater geworden.“
„Richtig. Meine jüngste Tochter ist endlich unter der Haube. Sie hat uns eine ganze Weile Sorgen gemacht. Erst diese Drogenphase, dann wollte sie Künstlerin werden … Das Kind hatte keine Richtung. Aber nun geht sie ganz im Mutterglück auf. Der Kleine ist aber auch ein süßer Fratz. Die Geburt war nicht unkompliziert. Wir hatten große Angst, dass er genetisch geschädigt sein könnte. Wegen der Drogen. Aber die Untersuchungen haben alle Bedenken zerstreut.“
„Das freut mich. Schon getauft?“
„Amelie wollte es. Es war eine schöne Feier. Ich konnte sogar dem katholischen Brimborium etwas abgewinnen.“
„Die Katholiken wissen zu feiern. Darin waren sie immer meisterhaft: heidnische Riten aufzusaugen und für sich umzumodeln. Ihre Karnevalssitzungen sind doch viel angenehmer als dieser vertrocknete puritanische Protestantismus.“
Der Dicke ahnte nicht, wie sehr ihn sein Gegenüber verachtete. Er nahm einen guten Schluck, weil er jetzt etwas nervös war. „Ich bin seit Jahren durch unseren gemeinsamen Bekannten Abnehmer Ihrer Videos. Ihrer recht teuren Videos, wenn ich das sagen darf …“
„Natürlich dürfen Sie das sagen. Die sind ja auch nicht zur Unterhaltung der Plebs bestimmt. Die könnte ohnehin nicht viel damit anfangen. Diese besonderen Vergnügungen sind nur für Menschen, die nicht der Krämermoral unserer Zeit unterliegen. Für Leute wie Sie und mich, die außerhalb von Moral und kleinbürgerlichen Gesetzen stehen.“
Das Essen kam. Für den Dicken ein Tiroler Schmorbraten mit Polenta und Lauchgemüse, für seinen Gast der Lammrücken mit Pinienkruste, Navettengemüse und Thymiansauce. Sie ließen es sich schmecken und schwiegen. Der Dicke war zuerst fertig. „Sie werden es nicht glauben, aber ich leide manchmal an kleinbürgerlichen Moralvorstellungen. Ich zweifle dann, ob ich wirklich das Recht dazu habe, anderen Menschen zu schaden. Aber was heißt schon schaden? Nur eine motivierte Elite nützt schließlich auch der Allgemeinheit. Ich weiß natürlich, dass ich harte Entscheidungen fällen muss. Im Rahmen der Globalisierung ist das unausweichlich und eher positiv.“
„Besonders für Ihre Aktionäre.“
„Das geht überhaupt nicht anders. Ich bin dem Kapital verpflichtet, nicht den Belegschaften. Ich kann schließlich nicht die Welt für sie ändern und nur ihre Arbeitsplätze sicher machen. Es gibt einfach zu viele Menschen und zu viele Produkte. Und zu wenig Rohstoffe … Nein, ich meine das anders, eher im privaten Bereich.“
„Quält sie etwa die kleinbürgerlich-christliche Ideologie? Es ist schon merkwürdig, wie die Menschen täglich Gesetze schaffen, die ihnen Glück und Befriedigung stehlen. Sie wissen doch genau, dass die Bibel nur zusammengeschmiert wurde, um Tunten in Weiberkleidung ein angenehmes Leben zu ermöglichen. Aber wenn Sie es lieber moraltheoretisch geklärt haben wollen, gerne. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Sie begehren die Frau Ihres Nachbarn und können Sie nicht kaufen. Also lassen Sie sie entführen, vergewaltigen sie und bringen sie aus Sicherheitsgründen um. Das sind mindestens drei Verbrechen gegen andere, Ungerechtigkeiten gegenüber Ihrem Nächsten. Wenn Sie die Taten aber unterlassen, begehen Sie ein Verbrechen gegen sich selbst, denn Sie vergewaltigen Ihre substantiellen Bedürfnisse. Und das ist unverzeihlich. Es ist gegen die Natur. Wie Crowley richtig formulierte: Du bist das ganze Gesetz. Er hat vieles richtig gesehen, obwohl er letztlich nur ein drogensüchtiger Syphilitiker war. Mein Vergnügen muss jeden Vorrang vor den Leiden meiner Nächsten haben, die mich nichts angehen. Sonst hieße es ja, den Fremden mehr zu lieben als mich selbst. Das können die Christen gerne heucheln. Gehandelt haben sie stets gegenteilig – und doppelzüngig mehr Leid über ihre Nächsten gebracht als jede andere Ideologie.“
„Sie haben ja völlig recht. Es tut gut, mit Ihnen zu sprechen. Das Tagesgeschehen reibt mich so auf, dass ich gar nicht mehr zum Nachdenken komme. Und immer wieder diese dummen Vorwürfe durch selbsternannte Idealisten. Die wollen doch nur
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