Die Lucifer Direktive
Gelegenheit bot.«
Er wollte sich abwenden. In einer nur schemenhaft wahrnehmbaren Bewegung schlug sie gegen sein Handgelenk. Die Waffe landete ein paar Meter weiter auf dem Boden und war sogleich unter trampelnden Füßen verschwunden.
»Jetzt haben wir keine Waffe mehr«, fauchte Dan wütend und mit funkelnden Augen.
»Das könnte dir das Leben retten.«
Gemeinsam schoben sie sich durch die Menge in die Richtung, von der sie vermuteten, daß Black sie dort nicht erwartete. Dan bewegte sich langsam, zögernd. Er fühlte sich neben der Frau, die ihm vor drei Tagen das Leben gerettet hatte, äußerst unbehaglich. Sie hatte sich verändert, möglicherweise auch er, oder vielleicht sie beide. Ihre Augen sondierten das Terrain. Die Nutten beherrschten die Szene auf der Herbertstraße, veralberten das Gesetz, indem sie ihre Ware trotz Verbot in den Fenstern zur Schau stellten, da niemand in der Nähe war, es zu vertreten. Dan und Gabriele traten hinter einen Springbrunnen, von dem in unregelmäßigen Abständen bräunliche Fontänen in ein Becken sprudelten. Langhaarige junge Männer in Jeans oder Lederkluft saßen auf dem Rand – in knapp sitzenden Hosen und mit noch knapperem Lächeln.
Renaldo Black zwang sich, sie nicht anzustarren, während er die Browning aus dem Gürtel zog und in Hüfthöhe hielt. Niemandem fiel die Bewegung auf, und nach seinem Standort würde ihn auch niemand in Verbindung mit den Schüssen bringen. Man glaubt immer, daß Schußwaffen hochgehalten werden müßten. Hält man sie tief, kann man nach Bedarf feuern.
Black hielt die Browning so, daß die Mündung von einer niedrigen Ebene nach oben wies. Zuerst würde er Gabriele erschießen. Der Anfänger Lennagin würde starr vor Schreck sein. Der zweite Mord, gewöhnlich der schwierigere, würde ganz leicht sein. Die beiden gingen weiter, näherten sich dem Brunnen. Black nahm sein Ziel ins Visier.
Er bedauerte, Gabriele töten zu müssen. Sie war ihm immer sehr nützlich gewesen, hatte ihm die Tarnung einer ständigen Begleiterin gegeben – die fabelhafteste Tarnung in einem belebten Flughafen. Er würde sie ersetzen müssen, wie er schon andere ersetzt hatte.
Er sah, wie der Blick des Jungen über ihn hinwegglitt, ohne ihn bemerkt zu haben. Er verlangsamte seinen Schritt, suchte den richtigen Winkel für einen sauberen Treffer. Schließlich war es soweit. Zuerst das Mädchen.
Black begann, den Abzug durchzudrücken.
Sein Finger hatte sich gerade gekrümmt, als dieser plumpe Mann betrunken gegen ihn torkelte, dessen gemurmelte Entschuldigung im Aufschrei der Waffe unterging, als die Kugel ihren harmlosen Lauf in die Luft nahm. Black stieß ihn beiseite, warf einen Blick auf sein Gesicht und merkte es sich.
Graues Haar und ein dicker schwarzer Schnäuzer, irgendwie kam er ihm bekannt vor. Aber er hatte nicht die Zeit, sich weiter damit zu beschäftigen.
Vor ihm liefen Menschen schreiend davon und verschluckten sein Ziel. Spähend, suchend stürzte er sich in das Gewimmel. Sie waren weg. Er lief schneller, kam zum Brunnen. Black schaltete schnell. Die Menge mußte auseinandergetrieben werden. Er feuerte zweimal ungezielt. Es gab einen Schrei, und eine Prostituierte stürzte zu Boden. Einer der Jungs, die auf dem Beckenrand gesessen hatten, plumpste ins Wasser.
Kreischen und Schreie erfüllten nun die Herbertstraße. Menschen liefen in Deckung oder einfach nur weg. Black hastete weiter, suchte nach seinen Opfern. Inmitten der Hysterie konnte er sie nirgends entdecken, noch nicht, deshalb rannte er in die Mitte der Passage in der Hoffnung, daß sie den gleichen Weg gewählt hatten.
Das hatten sie. Dan versuchte, mit Gabriele Schritt zu halten. Sein Körper krachte in den eines Mannes zu seiner Rechten, dann gegen eine Frau zu seiner Linken. Er schlitterte und hetzte in vollem Tempo, während er die ganze Zeit seine Muskeln gegen den erwarteten Eintritt von Blacks Kugel spannte. Ein Mann mit orangefarbenem Haar schubste Gabriele. Sie stolperte. Dan erreichte sie und half ihr auf. Sie waren aus dem Gewimmel der Menge ausgebrochen und nun dazu verdammt, ihre jetzige Richtung beizubehalten. Es gab keinen Unterschlupf, also gingen sie weiter. Für den Augenblick waren sie aus Blacks Blickfeld verschwunden, und diesen Augenblick mußten sie für sich verbuchen.
Es ertönte wieder ein Schuß, und das Geschrei schwoll wieder an, während von Ferne das ungewohnte Jaulen von Sirenen erklang.
Türen und Lichter flogen an Dan und Gabriele
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