Die Lucifer Direktive
Dinge anders, sehr viel anders. Man kommt nicht leicht an Informationen, manchmal überhaupt nicht. Das ist mein Terrain. Hier ist eine andere Überzeugungskraft erforderlich.« Damit zupfte Felix unterhalb des versteckten Samurai-Schwerts an seiner Schaffellweste. »Außerdem erinnere ich mich nicht, daß Sie arabisch sprechen.«
Sie gingen weiter den Landungssteg entlang, wobei ihre Sohlen naß von überschwappendem Meerwasser wurden, und näherten sich einem verwitterten Wachtturm.
»Erwarten Sie, hier irgend etwas zu finden?« fragte Quinn.
»Irgend jemand. So eine Art Hafenmeister. Ein Hansdampf, der alles mitkriegt, was sich in den Docks tut. Falls Ihr Junge Ägypten von hier aus verlassen hat, wird er das wissen.«
»Aber wird er es uns erzählen?«
Felix lächelte bloß.
Der Hüne öffnete die Tür zum Wachtturm ohne anzuklopfen. Sie quietschte fürchterlich und fiel bald aus den Angeln. Überall waren Bretter zur Ausbesserung angenagelt, so daß es jetzt so aussah, als wäre für weitere Nägel kein Platz mehr.
»Wer, zum Teufel, seid ihr?« verlangte der Ägypter zu wissen und hielt ihnen seinen dicken Revolver entgegen. Die Bruchbude wurde nur von einer Petroleumlampe erhellt, in deren Licht dunkle Schatten auf dem ohnehin dunklen, stoppelbärtigen Gesicht tanzten. Er hatte ein mageres, verwegenes Gesicht. Bekleidet war er nur mit einem weißen T-Shirt und fleckigen Khakihosen. Auf dem Tisch, vor dem er saß, stand eine halbvolle Flasche billiger Whisky.
»Ich fragte, wer, zum Teufel, seid ihr?«
Quinn folgte Felix hinein und verschloß die Nüstern vor dem herben Gestank nach abgestandenem Schweiß.
»Wir wollen nichts Böses, Freund«, beruhigte Felix den Ägypter. »Wir sind nur auf der Suche nach ein paar einfachen Antworten.«
Der Mann hielt seine Waffe etwas höher und musterte Felix neugierig mit schräggelegtem Kopf. »Ich kenne Sie nicht. Da bin ich mir ganz sicher.«
»Aber du besitzt eine Information, hinter der wir her sind. Die Nacht ist kalt, Freund. Mit ein oder zwei weiteren Flaschen kämst du gut über die Runden. Hilf uns, und wir werden …«
»Ich brauche eure verdammte Barmherzigkeit nicht!« Der Ägypter spannte den Hahn. »Ich könnte euch beiden das Hirn wegpusten, und niemand würde sich drum scheren. Ich kenne euch nicht und schulde euch nichts. Das sind meine Docks. Niemand …«
Der nächste Augenblick spielte sich vor Quinns Augen nur schemenhaft ab. Felix bewegte sich – noch nie hatte Quinn jemanden sich so schnell bewegen sehen –, und in der Luft pfiff etwas. Quinn sah etwas aufblitzen und begriff dann, daß der Hüne sein Schwert gezogen hatte. Diese Erkenntnis erfolgte erst einen Bruchteil von Sekunden, nachdem die stumpfe Seite der Klinge auf das Handgelenk des Ägypters niedergesaust war und ihm die Waffe aus der Hand geschlagen hatte. Ehe der Mann sich rühren konnte, wurde ihm die rasiermesserscharfe Seite der Klinge gegen die Kehle gehalten, so daß sie bei der geringsten Regung aufgeschlitzt würde.
»Weißt du jetzt, wer ich bin, Freund?«
»Ja. Felix«, flüsterte der Mann, der sich mit dem kalten Stahl am Hals nicht traute, lauter zu sprechen.
»Die heutige Nacht könnte dein Tod sein, Freund, aber ich bin gutgelaunt und werde dein Leben verschonen, wenn du meine Fragen beantwortest. Kapiert?«
Der Mann wollte schlucken, ließ es dann sein. Er brachte ein Nicken zustande.
»Gut. Heute nacht war ein Junge in den Docks, ein Amerikaner Anfang Zwanzig, der eine Passage suchte. Erinnerst du dich an ihn?«
»Ja.«
»Und hat er die Passage gefunden, die er suchte?«
»Ja.« Die Augen des Ägypters waren wie gebannt auf die Klinge an seiner Kehle gerichtet. »Vorher ging schon ein Gerücht über ihn.«
»Was für ein Gerücht?«
Der Ägypter zögerte, und Felix hielt die Klinge eine Spur dichter an den Hals.
»Bitte …« Dem Mann traten die Augen aus den Höhlen. »Das Gerücht, daß auf den Kopf des Jungen ein beachtlicher Preis ausgesetzt wäre. Tot oder lebendig.«
»Oh, mein Gott«, murmelte Quinn.
»Und der Kapitän, der ihm die Überfahrt gewährte?« fuhr Felix fort.
»Eine lumpige Ratte, die von Blutgeld lebt.«
»Wie lange ist es her, daß sie in See gestochen sind?«
»Zwei Stunden, vielleicht auch drei.«
»In welche Richtung?«
»Nordwest. Richtung Griechenland.«
»Kannst du uns ein Boot besorgen, das schnell genug ist, um sie einzuholen?«
Der Ägypter entspannte sich ein wenig, weil er zum erstenmal das Gefühl
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