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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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einmal das sehen, was sich in Ihrer Tasche befindet?«
    Vorsichtig reichte ihr Steven das hölzerne Schatzkästchen. Sie öffnete es und warf einen kurzen Blick auf die Fotografien und die schwarze Haarlocke. Dann blätterte sie gedankenverloren durch das vergilbte Notizbuch. Beinahe andächtig fuhr sie mit dem Finger über den samtenen Einband mit den Elfenbeinverzierungen.
    »Es ist also tatsächlich wahr«, murmelte sie schließlich.
    »Wahr?«, fragte Steven. »Was ist wahr?«
    Die Detektivin starrte weiter in das Buch, als versuchte sie darin etwas zu erkennen. Erst nach einer Weile blickte sie wieder auf.
    »Sie müssen wissen, Onkel Paul hatte ein etwas außergewöhnliches Hobby. Er war ein enthusiastischer Sammler von Literatur über König Ludwig II., vor allem alles, was mit dessen Tod zusammenhing. Für ihn war Ludwigs tragisches Ende der größte ungeklärte Mordfall in der deutschen Geschichte.«
    »Mord?«, fragte Steven skeptisch. »Ich habe gehört, dass es solche Spekulationen gibt. Aber …«
    »Herr Lukas«, unterbrach ihn Sara Lengfeld ungeduldig. »Was genau wissen Sie über König Ludwig II.?«
    Steven zuckte mit den Schultern. »Nun, er war ein wohl etwas verschrobener bayerischer König, der sich mehr und mehr in seinen Traumwelten verlor, einige märchenhafte Schlösser baute und schließlich für verrückt erklärt und abgesetzt wurde. Kurz darauf starb er auf bis heute ungeklärte Weise.«
    »Etwas verkürzt, aber alles in allem korrekt. Wobei noch zu sagen wäre, dass Ludwig II. nicht irgendein bayerischer König war, sondern vielleicht der König schlechthin. Jedenfalls, was seine Popularität betrifft.« Sara nahm eine der schwarzweißen Fotografien aus dem Kästchen und hielt sie Steven direkt unter die Nase. Irritiert bemerkte er, dass die Fingernägel der Detektivin grün lackiert waren.
    »Es gibt weltweit keinen anderen Monarchen, der so bekannt ist wie dieser Mann hier«, erklärte sie lächelnd. »Sein Bild kennt man vermutlich noch hinter der Chinesischen Mauer. Es ist die perfekte Spiegelfläche für unsere Träume und Wünsche. Ein Phantast, der seine Träumereien im Gegensatz zu uns gewöhnlich Sterblichen mit einem Haufen Geld in die Tat umsetzen durfte.«
    »Wobei er politisch …«, warf Steven ein.
    »Ein kompletter Versager war. Ich weiß.« Die Kunsthistorikerin seufzte. »Wenn wir Ludwig II. nur nach seinen politischen Leistungen beurteilen würden, würde heutzutage kein Hahn mehr nach ihm krähen. Aber was ist Politik schon angesichts eines Märchenschlosses, mit dem heutzutage jeder Disneyfilm anfängt? Von seinem Tod mal ganz abgesehen.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Nun, Rätsel verkaufen sich nun mal gut«, erwiderte sie und legte die Fotografien sorgfältig zurück ins Kästchen. »Ich bin sicher, auch Sie haben Ihre eigene Geschichte, was den Tod des Märchenkönigs betrifft.«
    »Eine eigene Geschichte? Ich kenne nur die offizielle Version«, erwiderte Steven schulterzuckend. »Soweit ich mich erinnere, hat man den verrückten und abgesetzten König nach Schloss Berg am Starnberger See gebracht. Dort büxte er seinem Psychiater Bernhard von Gudden aus, der ihm nachlief und ihn unweit des Ufers schließlich einholte. Im darauffolgenden Handgemenge hat Ludwig II. Dr.   von Gudden ertränkt und dann Selbstmord im See begangen.«
    »Im hüfttiefen Wasser?«
    Steven runzelte die Stirn. »Wie bitte?«
    »Das Wasser, in dem der König sich selbst ertränkt haben soll, war hüfttief«, erwiderte die Kunstdetektivin. »Ludwig war ein ausgezeichneter Schwimmer. Außerdem fand man in seinen Lungen kein Wasser.«
    »Sie meinen also …«
    »Ich meine gar nichts«, fuhr Sara Lengfeld fort. »Ich zähle nur Fakten auf. Und das sind nur ein paar von der großen Menge an Ungereimtheiten, die den Tod Ludwigs umgeben. Alle nähren sie seinen Mythos. Wussten Sie zum Beispiel, dass die Ärzte am Tatort die beiden Leichen nicht untersuchen durften? Außerdem blieb Guddens Taschenuhr erst über eine Stunde nach der des Königs stehen. Darüber hinaus sind etliche Zeugen von damals entweder auf seltsame Weise ums Leben gekommen oder verschollen, oder sie waren von heute auf morgen plötzlich reich. Und, und, und …« Sie winkte ab. »Bücher über die seltsamen Ereignisse des 13. Juni 1886 füllen ganze Bibliotheken.«
    »Ich hatte gar nicht gewusst, dass sich eine promovierte Kunsthistorikerin mit Verschwörungstheorien abgibt«, sagte Steven schmunzelnd. »Offenbar hat Ihr

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