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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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einem Bündel anderer Klamotten. Aber irgendwie kann ich mich von den Kleidern schwerer trennen als von ihrem Besitzer.«
    Steven lächelte. »Es ist wohl nicht besonders leicht, Ihr Freund zu sein?«
    »Sagen wir, ich stelle hohe Ansprüche«, erwiderte Sara. »Es reicht mir eben nicht, mich neben jemanden auf dem Sofa zu kuscheln, während Formel 1 läuft. Die meisten Männer können es schlecht vertragen, wenn ihre Partnerin intelligenter ist als sie selbst.« Grinsend beäugte sie Stevens T-Shirt, das mit dem Logo irgendeiner Grunge-Band verziert war. »Zugegeben, der liebe David war wirklich ziemlich schnucklig, aber irgendwann wollen Sie mit Ihrem Freund auch mal über was anderes reden als Surfen, Szeneclubs und House-Music.«
    »Wenigstens in dieser Hinsicht würde ich Sie nicht enttäuschen«, sagte Steven und hob die Hand zum Schwur. »Ich kann weder surfen, noch kenne ich irgendwelche Szeneclubs oder House-Music, versprochen. Außerdem würde mich der Türsteher in dem Aufzug ohnehin nicht reinlassen.«
    Plötzlich fiel ihm seine blutverschmierte Cordhose wieder ein, die in einer Mülltüte draußen im Gang lagerte. Schlagartig wurde er wieder ernst.
    »Der Typ mit der Boxerjacke«, murmelte Steven. »Bernd Reiser … Was hatte der wohl bei mir im Antiquariat verloren gehabt?«
    »Vermutlich sollte er Ihnen auflauern, falls Sie zurückkommen«, antwortete Sara nachdenklich. »Ich werd morgen gleich mal überprüfen, was es mit dieser Inschrift ›Tmeicos Ettal‹ und dem Schwan auf dem Amulett auf sich hat. Irgendwas stimmt damit nicht. Solchen Schmuck tragen doch sonst eher zwölfjährige Mädchen, aber keine ausgewachsenen Gorillas.« Sie griff beherzt nach einem weiteren der Sandwiches. »Was mir jedoch mehr zu denken gibt, ist der andere Typ. Bis jetzt dachte ich, dass nur diese Schläger hinter dem Buch her sind. Aber offensichtlich gibt es da noch mehrere Interessenten.«
    »Sie meinen, der Mann mit dem schwarzen Kapuzenpulli war bereits unten im Lager, um das Buch zu suchen, und ist von diesem Reiser überrascht worden?«, fragte Steven.
    Sara zuckte mit den Schultern und biss in ihr Lachsbrötchen, so dass die Soße links und rechts rausspritzte. »Oder andersrum«, sagte sie mit vollem Mund. »Jedenfalls gibt es offenbar mehrere, die das Kästchen mit dem Buch gerne haben möchten.«
    »Oder aber der Typ mit dem Kapuzenpulli war ein stinknormaler Einbrecher, der die zerbrochene Schaufensterscheibe gesehen und die Gelegenheit beim Schopf ergriffen hat«, warf Steven nachdenklich ein.
    »Ein literaturbegeisterter Dieb mit einem Faible für Rilke und Flaubert? Ich weiß nicht.« Sara schluckte ihren Bissen runter und deutete auf das alte Stenographiebuch. »So oder so, wir haben diesen Kerlen allen was voraus. Im Gegensatz zu denen wissen wir nämlich, wie man die Notizen von unserem lieben Theodor Marot entschlüsselt.«
    »Wir wissen noch gar nichts.« Steven rieb sich müde die rotgeäderten Augen. »Zuerst muss ich mich mal durch die 300   Seiten schwere ›Tachygraphy‹ quälen. Fragen Sie mich in ein paar Stunden noch mal.«
    »Sind Sie ganz sicher, dass Sie nicht vorher ein bisschen schlafen wollen?«
    »Dafür bin ich viel zu aufgekratzt.« Der Antiquar schob sich den gemütlichen Lederstuhl an den Tisch und klappte die erste Seite auf. »Außerdem haben Sie mich wirklich neugierig gemacht.«
    »Also gut.« Sara ging hinüber zum Ledersofa und deckte sich mit einer dünnen Wolldecke zu. »Wecken Sie mich einfach, wenn Sie wissen, wer der Mörder ist.«
    Sie gähnte, streckte sich und schloss die Augen. Steven hatte ihren letzten Satz schon gar nicht mehr gehört. Er vertiefte sich in die hundertfünfzig Jahre alte Anleitung zu Sheltons Kurzschrift. Schon nach kurzer Zeit merkte er, dass es gar nicht so schwer war wie zunächst angenommen. Zwar würde er Wochen brauchen, um Sheltons Stenographie flüssig zu schreiben, das Entziffern jedoch ging erstaunlich schnell. Die Floskeln wiederholten sich, manche Wörter wurden einfach abgekürzt oder mit einem einzigen Zeichen wiedergegeben. Steven bemerkte, dass das Stenographieseminar damals an der Universität doch nicht spurlos an ihm vorübergegangen war. Nach zwei Stunden beschloss er, dass er es wagen konnte, Marots Aufzeichnungen zu entziffern. Er würde das Notizbuch einfach als eine Übungsaufgabe betrachten. Um die merkwürdigen Buchstabenfolgen, die schon ab der zweiten Seite auftauchten, würde er sich später kümmern.
    Der Antiquar

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