Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
Vom Netzwerk:
hörte.
LALJEDIE, XOIMLQI

9
    S teven Lukas wurde in der klapprigen Pferdedroschke unsanft hin und her geworfen. Er spürte die Pflastersteine so deutlich unter den Rädern, als würde sein Rücken über die Straße schleifen. Sein Kopf dröhnte von den vielen Eindrücken der letzten Stunden. Dazu kam noch, dass der Kutscher nun anfing, mit hoher Stimme auf ihn einzubrüllen.
    »Aufwachen! He, aufwachen!«
    Irritiert bemerkte Steven, dass der Kutscher ganz offensichtlich eine Frau war. Außerdem hatte das ratternde Geräusch aufgehört. Was ihn schüttelte, war nicht die Droschke, sondern eine Hand, die an seinem zerknitterten Ärmel zog. Endlich richtete er sich blinzelnd auf und rieb sich verschlafen die Augen. Vor ihm stand Sara Lengfeld, die ihm grinsend eine Tasse dampfenden Kaffee hinhielt. Auf dem Tisch lag zwischen Bildbänden und zerknüllten Post-it-Zetteln noch immer das aufgeschlagene Tagebuch, über dem er offensichtlich eingeschlafen war. Wenigstens hatte ihm jemand in der Nacht eine warme Wolldecke über die Beine gelegt.
    »Trinken Sie das«, sagte Sara und deutete nach hinten. »Ich muss Ihnen etwas zeigen. Dafür sollten Sie allerdings im Vollbesitz Ihrer Kräfte sein.«
    »Wie … wie lange habe ich geschlafen?«, murmelte Steven und nahm dankbar die Tasse entgegen. Kurz flackerte vor seinen Augen noch einmal das Bild des toten Schlägers in seinem Antiquariat, und er zuckte unwillkürlich zusammen. »Das Tagebuch … ich habe einige Seiten übersetzt. Dabei muss ich wohl eingenickt sein.«
    Sara lächelte. »Es ist später Vormittag, wenn Sie’s genau wissen wollen. Sie haben geschnarcht wie ein kanadisches Sägewerk.« Sie deutete auf Stevens unrasiertes Gesicht. »Außerdem sabbern Sie im Schlaf.«
    Der Antiquar fuhr sich verlegen über die Lippen. Vom Schlafen im Ledersessel fühlte er sich tatsächlich so gerädert wie nach einer Reise in einer Postkutsche aus dem 19. Jahrhundert. Vermutlich sah er furchtbar aus, blass, verstrubbelt, mit schlechtem Atem und unrasiert. Und sein Rasierzeug befand sich natürlich in seiner Wohnung! Es wurde wirklich Zeit, dass er dorthin zurückkehrte. Vielleicht waren ihre Vorsichtsmaßnahmen doch übertrieben gewesen.
    »Sara, hören Sie«, begann er. »Wir sollten dieses Versteckspiel beenden und …«
    Sie winkte ab. »Wenn Sie befürchten, dass es zu irgendwelchen Intimitäten zwischen uns kommen könnte, kann ich Sie beruhigen«, unterbrach sie ihn. »Sie sind nicht mein Typ. Eindeutig zu alt.« Sie grinste. »Kleiner Scherz. Aber so, wie es aussieht, müssen Sie wohl noch ein Weilchen bei mir bleiben.«
    Steven blickte sie ratlos an. »Ich fürchte, ich verstehe nicht.«
    »Dann trinken Sie mal hübsch Ihren Kaffee aus und folgen mir nach nebenan.« Die Kunstdetektivin sah auf ihre Uhr. »Gleich ist es elf, und im Fernsehen läuft etwas, was Sie auf jeden Fall anschauen sollten.«
    »Aber was … was soll das?«, fragte Steven und schüttelte den Kopf. »Sind Sie denn nicht daran interessiert, was in dem Tagebuch stand? Es ist ein äußerst aufregender Zeitzeugenbericht, der …«
    »Was gleich im Fernsehen kommt, ist noch viel aufregender für Sie, glauben Sie mir. Und jetzt lassen Sie uns endlich rübergehen, bevor wir die Nachrichten verpassen.«
    Achselzuckend folgte Steven Sara über den Gang in einen Raum nebenan, der ganz offensichtlich ihr Schlafzimmer war. Außer einem breiten Designerbett und einem grell orangefarbenen Kleiderschrank, aus dem zusammengeknüllte Kashmirpullover und quietschbunte T-Shirts quollen, befand sich darin nur noch ein einschüchternd großer Flachbildschirm. Sara griff zur Fernbedienung und zappte sich durch die Programme, bis sie bei einem kleinen Lokalsender landete. Zu den pompösen Klängen eines Jingles wehte ein grafisches Banner mit dem Titel ›Bayern-News‹ über den Monitor. Dann erschien eine lächelnde Blondine, die in einem billig aussehenden Studio stand und mit den Händen ein paar Kärtchen umklammerte. Hinter ihr war das verwaschene, leicht unscharfe Foto eines Mannes zu erkennen. Bei dessen Anblick wäre Steven beinahe die Kaffeetasse aus der Hand gefallen.
    Der Mann auf dem Bild war er selbst.
    »Ah«, sagte Sara und stellte ein wenig lauter. »Wir kommen genau richtig.«
    »Wie heute bereits gemeldet, gibt es Neuigkeiten in dem grausigen Ritualmord an dem Jenaer Professor Paul Liebermann«, säuselte die Blondine und starrte lächelnd auf ihren Teleprompter. »Im Zusammenhang mit dem Mord sucht

Weitere Kostenlose Bücher