Die Ludwig-Verschwörung
die Polizei einen Verdächtigen. Es handelt sich um den Münchner Antiquar Steven Lukas, in dessen Laden die Beamten heute früh überraschend den Mantel und den Hut des Toten fanden. Auf beiden Kleidungsstücken sollen sich Blutspuren befinden.«
»Aber das ist unmöglich!«, fuhr Steven aufgeregt dazwischen. »Dieser Professor hat …« Doch Sara drückte sanft seine Hand.
»Pssst«, flüsterte sie. »Es kommt noch dicker.«
»Die Polizei geht mittlerweile davon aus, dass zwischen den beiden Männern ein Kampf stattgefunden hat. Dieser Verdacht erhärtet sich noch durch einen Fund im Keller des Antiquariats im Münchner Westend«, sagte nun die Nachrichtensprecherin, wobei sie die rechte Augenbraue kritisch hochzog. »Bei einer Hausdurchsuchung stießen die Beamten auf eine weitere Leiche. Aus Polizeikreisen verlautet, dass der Tote ein gewisser Bernd R. ist, ein arbeitsloser Wachmann, der bereits mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraft war. Nachbarn sollen den Antiquar letzte Nacht beim Betreten seines Ladens gesehen haben. Seitdem ist Steven Lukas spurlos verschwunden.«
»Der alte Stiebner vom ersten Stock, der uns reingelassen hat«, stöhnte Steven. »Wie konnte ich Trottel den nur vergessen!« Plötzlich wurde ihm übel. Er setzte sich auf das breite ungemachte Bett und hörte der Blondine zu, die die Bevölkerung nun aufforderte, die Augen offen zu halten und sachdienliche Hinweise der nächsten Polizeistation zu melden. Es folgte ein Bericht über ausgesetzte Hundebabys, den Sara gnädigerweise ausschaltete.
»O Gott«, murmelte Steven und fuhr sich durch die Haare. »Sie verdächtigen mich, den Professor umgebracht zu haben. Aber … aber das ist doch absurd! Was für einen Mantel und einen Hut wollen die bei mir gefunden haben? Da war nichts!«
Sara runzelte die Stirn. »Offensichtlich doch. Jetzt wissen wir wenigstens, was dieser Schläger gestern Nacht bei Ihnen verloren hatte. Er muss Ihnen das Zeug untergejubelt haben. Und irgendjemand hat dann der Polizei und der Presse von den Kleidungsstücken erzählt.« Sie nahm Steven die Kaffeetasse aus der schlaffen Hand und trank nachdenklich den Rest aus. »Ein ziemlich mieser Trick. Sieht ganz so aus, als ob Sie irgendwer da draußen überhaupt nicht leiden kann.«
»Wir hätten zur Polizei gehen sollen, wie ich es gesagt habe!«, fluchte Steven. »Hätte ich bloß nicht auf Sie gehört! Jetzt steck ich tiefer in der Scheiße als je zuvor!«
»Kann ich denn ahnen, dass jemand Kleidungsstücke meines Onkels bei Ihnen deponiert und den Bullen einen Tipp gibt? Sie tun ja grad so, als ob ich Ihre Mutti bin. Wären Sie halt zur Polizei gegangen, anstatt jetzt rumzujammern!« Sara griff nach einer Schachtel Mentholzigaretten, die neben dem Bett lag. Schweigend fischte sie einen zerknitterten Glimmstängel hervor und zündete ihn an.
»Außerdem bringt uns das nicht weiter«, sagte sie schließlich. »Wir müssen nachdenken. Dahinter steckt sicher der Typ, der meinen Onkel auf dem Gewissen hat und dieses Buch sucht. Er will auf jeden Fall vermeiden, dass wir damit zur Polizei gehen. Also macht er Sie zum Hauptverdächtigen. Nicht blöd von ihm, gar nicht blöd.«
Steven dachte an den Mann im Trachtenanzug, der ihn vorgestern Abend in seinem Laden aufgesucht hatte. Konnte er der Drahtzieher sein? War er der Anführer dieser Guglmänner, die nun mit allen Mitteln versuchten, an das Tagebuch zu kommen?
Vom Rauch der Mentholzigarette wurde ihm noch übler, als ihm ohnehin schon war. Er hatte keine fünf Stunden in einem knautschigen Ledersessel geschlafen, nichts gegessen, und jetzt erfuhr er, dass er als Hauptverdächtiger in einem grausamen Mordfall gesucht wurde. Mit der Hand fächerte er sich Luft zu. Als Sara seine verzweifelten Bemühungen bemerkte, drückte sie die Zigarette aus und sah ihn mitfühlend an.
»Ich mache Ihnen einen Vorschlag, Herr Lukas«, sagte sie. »Ich zaubere uns ein spätes Frühstück mit Kaffee, Croissants, Butter und Honig, und dabei erzählen Sie mir, was Sie in dem Tagebuch rausgefunden haben. Und dann überlegen wir uns, wie wir weiter vorgehen.« Sie lächelte. »Sie werden sehen, danach sieht die Welt schon wieder ganz anders aus.«
Steven nickte. Auch wenn er sich nicht vorstellen konnte, dass die Welt für ihn jemals wieder in Ordnung kommen würde.
Eine halbe Stunde später saßen sie gemeinsam am Tisch in Saras kleiner unaufgeräumter Einbauküche und kauten ein paar Instant-Schokohörnchen. Obwohl sie
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