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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Blick in den zerknitterten Lageplan, den sie zusammen mit ein paar Prospekten an der Kasse mitgenommen hatte. »Die sogenannte Königslinde«, las sie leicht gelangweilt vor. »Sie stand schon lange vor dem Schloss hier. Aber jetzt genug geredet, die Uhr tickt.« Sie deutete zu dem weißen Gebäude, wo sich bereits eine Schlange vor dem Eingang gebildet hatte. »Die Meute wird schon unruhig. Wir machen es also, wie Sie gesagt haben. Ich schau mir den Park an, und Sie machen eine von den Schlossführungen mit. Viel Spaß!« Sie zwinkerte ihm noch einmal zu, dann verschwand sie in einem der Laubengänge.
    Seufzend reihte sich Steven ein in eine Schlange von übergewichtigen amerikanischen Touristen, die dem Akzent nach aus Texas stammten. Jemand drückte seinen Kaugummi gegen die Schlossmauer, dann setzte sich der Tross langsam in Bewegung.

12
    E ineinhalb Stunden später war Steven genauso schlau wie vorher.
    Die Gemächer im Inneren waren in der Tat beeindruckend. Das änderte nichts daran, dass er noch immer keinen Schimmer hatte, was er eigentlich suchen sollte. Dreimal hintereinander hatte er eine Führung mitgemacht, auf Englisch, auf Deutsch und schließlich auf Holländisch. Jedes Detail in den Zimmern hatte er sich eingeprägt. Als er die Führerin schließlich nach dem Namen ›Marot‹ gefragt hatte, hatte diese nur mit den Schultern gezuckt und ihn genervt angesehen. Mittlerweile hatte sich offenbar herumgesprochen, dass dieser amerikanische Tourist mit Baseballmütze und Lederjacke ein unverbesserlicher Ludwig-Fan war. Steven tröstete sich, dass er damit wohl nicht allein war. Die Tourguides hier hatten bestimmt schon Schlimmeres erlebt.
    Nun stand er allein in der pompösen Vorhalle, direkt vor einer Reiterstatue Ludwig XIV. Über ihm an der Decke prangte zwischen zwei Puttenfresken einer der Leitsprüche des Sonnenkönigs.
    NEC PLURIBUS IMPAR.
    Auch vielen gewachsen, übersetzte Steven leise. So ziemlich das Gegenteil von dem, wie ich mich gerade fühle.
    Der Antiquar sah sich in der Vorhalle um, fand aber auch hier keinen Hinweis auf das Buchstabenrätsel oder das Wort LIEBE. Eines zumindest war jedoch auffällig: Das ganze Schloss war einerseits eine Hommage an die griechisch-römische Antike, andererseits an den französischen Barock. Es wimmelte von Porträts französischer Adliger, es gab einen Spiegelsaal wie den des Sonnenkönigs und ein Bett samt einem Baldachin so hoch wie ein mittlerer Sprungturm. Am amüsantesten war das Speisezimmer, in dessen Mitte das berühmte »Tischleindeckdich« stand. Es bestand aus einer Klappe, durch die der gedeckte Esstisch mittels einer Mechanik in das königliche Gemach gefahren werden konnte. Steven stellte sich vor, wie der König dort oben nachts allein speiste, inmitten von Spiegeln und sich unendlich reflektierenden Kerzenlichtern.
    Und danach liegt er Tschibuk rauchend auf dem marokkanischen Diwan oder wälzt sich auf Bärenfellen in einer Holzhütte, während seine Diener als Germanen verkleidet für ihn den Affen machen müssen. Tut mir leid, Fräulein Lengfeld, aber dieser Mann war hochgradig verrückt.
    So in Gedanken versunken war Steven, dass er die Berührung der Kunstdetektivin erst nach einigen Sekunden bemerkte.
    »Und? Was gefunden?«, fragte sie aufmunternd.
    Der Antiquar schüttelte missmutig den Kopf. »Kein Marot, und auch nichts, was auch nur im Entferntesten ein Hinweis sein könnte.«
    Sara seufzte. »Ging mir genauso. Ich hab mir die Hacken krummgelaufen. Hundinghütte, Venustempel, Einsiedelei, Kapelle, Neptunbrunnen … Dieser Park ist ein gottverdammtes Labyrinth! Außerdem ist der obere Teil bereits abgesperrt. Ich glaube, das Ganze war ein Griff ins Klo. Tut mir leid.«
    Sie ging nach draußen, steckte sich eine Zigarette an und ließ sich müde auf eine Parkbank fallen. »Wenn wir nur wenigstens wüssten, nach was wir suchen sollen. Eine Nummernfolge, ein Satz, ein Bild. Aber so? Alles, was wir vermuten, ist, dass der Hinweis irgendwie mit dem Wort ›Liebe‹ zusammenhängt.«
    »Ich hab vorhin noch mal nachgedacht«, warf Steven ein. »Der Cäsar-Code, von dem ich Ihnen heute Vormittag am Frühstückstisch erzählt habe, ist offensichtlich nicht Marots Verschlüsselungsmethode gewesen. Aber soviel ich weiß, gibt es noch ein wesentlich verzwickteres Verfahren. Die sogenannte Vigenère-Verschlüsselung. Wenn ich mich richtig erinnere, war diese Technik Mitte des 19. Jahrhunderts ziemlich populär. Marot müsste sie also gekannt

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