Die Ludwig-Verschwörung
lehnte sich zufrieden zurück und deutete auf eine Art Tabelle auf dem Monitor. »Hier ist schon ein Programm, mit dem wir Monsieur Vigenère knacken können.«
»Versuchen wir es zunächst mal mit dem Wort LIEBE«, schlug Steven vor. »Nur zur Sicherheit.«
Sara nickte und tippte das erste Rätselwort QRCSOQNZO in den Computer. Im Feld ›Schlüssel‹ gab sie LIEBE ein. Schon nach wenigen Sekunden erhielten sie die Lösung.
Eingabe
QRCSOQNZO
Schlüsselwort
LIEBE
Ausgabe
FJYRKFFVN
»Das ging offenbar daneben«, sagte Sara enttäuscht. »Wär ja auch zu einfach gewesen. Jetzt probieren wir es mal mit Ihrem Wort VENUS.«
Feierlich tippte sie die fünf Buchstaben ein, erntete aber nur ein weiteres Buchstabenknäuel.
»Fuck! Vielleicht hab ich mich verschrieben.« Sara probierte es erneut, kam aber zum gleichen Ergebnis.
»Vielleicht APHRODITE?«, fragte Steven zaghaft. Aber auch hier ernteten sie nur Unsinnswörter, ebenso bei AMOR, EROS, HERZ und einem Dutzend weiterer Entsprechungen für Liebe.
Sara nippte an ihrem Martini und schwieg, während Steven sein Gedächtnis nach weiteren möglichen Schlüsselwörtern durchkramte. »Verflucht!«, zischte er schließlich. »Dabei war ich mir mit dem Vigenère-Code so sicher!«
»Vielleicht haben Sie ja nach wie vor recht, und wir haben nur noch nicht das richtige Wort«, versuchte ihn Sara zu trösten. »Ich finde, wir sollten nicht so schnell aufgeben.«
Sie blätterte in den Prospekten, die sie an der Kasse mitgenommen hatte und die auch die anderen Schlösser des Märchenkönigs erwähnten. »Na ja, wenigstens ist das hier noch das kleinste Schloss Ludwigs«, sagte sie. »Wir können im Grunde froh sein, dass wir nicht auf Herrenchiemsee oder Neuschwanstein nach einem Hinweis suchen müssen.«
Seufzend stand der Antiquar von der Hotelcouch auf. »Es wird mir wohl nichts anderes übrig bleiben, als noch ein paar weitere Seiten aus dem Tagebuch zu übersetzen«, sagte er müde. »Schließlich ist unser guter Theodor noch gar nicht in Linderhof angekommen. Womöglich kommen wir dem Wort durch Marots Beschreibungen auf die Spur.« Er nickte entschlossen. »Am besten, ich fange gleich damit an. Haben Sie für mich schon ein Zimmer reserviert?«
»Was das angeht, habe ich eine gute und eine schlechte Nachricht.« Sara trank ihren warmen Martini mit einem Schluck aus und knabberte an der Olive. »Ja, ich habe tatsächlich noch ein Zimmer ergattern können, was gar nicht so einfach war, weil Manstein Systems fast das gesamte Hotel gebucht hat. Und nein, es ist nicht Ihr Zimmer, sondern ein Doppelzimmer für uns beide. Es ist direkt unter dem Dach und eigentlich fürs Hauspersonal. Was anderes war leider nicht mehr frei. Ich hoffe, Sie schnarchen nicht mehr so laut wie letzte Nacht.«
Das Zimmer hatte die Größe eines mittleren Einbauschranks. Darin befanden sich ein durchgelegenes Doppelbett, ein Fernseher und ein wackliger Tisch, an dem Steven in verkrümmter Haltung auf einem viel zu niedrigen Stuhl saß. Eine verstaubte Nachttischlampe war die einzige Lichtquelle. Wenn er aus dem Fenster im dritten Stock sah, konnte er in der Abenddämmerung gerade noch die Berge auf der anderen Seite des Tales erkennen. Sie warfen Schatten, die wie mit langen Fingern nach dem Hotel griffen. Nur noch wenige Minuten, dann würde Linderhof im Dunklen liegen.
Der Antiquar hatte das Tagebuch und seinen Notizblock hervorgekramt und starrte nun im Schein der Lampe auf die verschlungenen Kürzel, die ihm diesmal schon viel vertrauter vorkamen. Wo war er noch einmal stehen geblieben?
Noch lange danach tönte mir das Krachen der von Strelitz’ Pistole in den Ohren. Es würde nicht das letzte Mal sein, dass ich sie hörte …
Trotz des langen und anstrengenden Tages versuchte Steven sich zu konzentrieren. Sara hatte dafür gesorgt, dass ein Teller mit Schinkenbroten und eine Flasche Rotwein in Reichweite stand, doch er hatte keinen allzu großen Appetit. Zerstreut ließ er seinen Blick schweifen über die zerfledderte Bettdecke neben ihm, eine leere Tüte Chips und schließlich über Sara, die mit Kopfhörern irgendeine seichte Telenovela im Fernsehen verfolgte, während sie gleichzeitig in den Schloss-Prospekten blätterte.
Frauen und Multitasking, ich werde es nie verstehen …
»Das ist doch Müll, was Sie da anschauen!«, rief Steven schließlich, dem das leise plätschernde Gemurmel aus den Kopfhörern zunehmend auf die Nerven ging. Die einsetzende Dunkelheit machte ihn
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