Die Ludwig-Verschwörung
gewarnt werden! Ich war mir sicher: Sobald er von der Intrige der Minister erfuhr, würde er auf dem schnellsten Weg nach München kommen und sich seinen Gegnern stellen.
Die Macht der Bürokraten war in den letzten Jahren mehr und mehr gewachsen. Ludwig selbst hatte seinen Teil dazu beigetragen, indem er die bayerische Hauptstadt mied, die er für eine stinkende Kloake hielt. Seit Jahren schon war er nicht mehr in München gewesen, und Politik war ihm herzlich egal. So kochten die Minister ihr Süppchen, legten dem König nur noch die Urkunden und Verträge zum Abzeichnen vor und bestimmten eigenständig die Geschicke des Landes. Sie waren die eigentlichen Monarchen und Ludwig nichts weiter als ein Schattenkönig, der in seiner eigenen Traumwelt lebte.
Was also konnte ich tun? Ich war mir sicher, dass von Strelitz die Bahnhöfe und Telegraphenstationen bereits überwachen ließ. Die einzige Möglichkeit, zum König vorzudringen, war demnach ein schnelles Pferd. Ich schlich zurück zur Droschke und schirrte den erschöpften Gaul ab. Mir war klar, dass ich es mit dieser lahmen Mähre niemals bis nach Linderhof schaffen würde. Also brauchte ich ein anderes, schnelleres Tier – doch woher? Mit gebeugtem Kopf, um nicht weiter aufzufallen, zog ich mit dem hinkenden Gaul durch die Gassen, verfolgt von den Blicken der hungrigen, schmutzigen Bewohner des Viertels.
In der Münchner Au lebten die Ärmsten der Stadt. Wie Geister, die das Tageslicht scheuten, duckten sich hier die Häuser an die steile Wand des Isartals. Viele von ihnen waren nicht mehr als winzige Herbergen, in denen Tagelöhnerfamilien manchmal zu zehnt in einem einzigen Zimmer vegetierten. Der Auer Mühlbach floss träge vorbei, in seinem trüben Wasser trieben Abfälle und die Kadaver von Ratten. Über dem ganzen Viertel hing eine graue Wolke aus Holzrauch und den unzähligen Kohlefeuern der Manufakturen.
Nach einiger Zeit hatte ich ein Wirtshaus gefunden, das nicht ganz so heruntergekommen aussah wie die übrigen. Es hieß »Lilienbräu« und lag ganz in der Nähe des Mühlbachs. Die kleinen Fenster waren rußig und verschmiert, doch das emaillierte Schild schien neu zu sein. Aus dem Schankraum drang jetzt am frühen Abend der Lärm der Zecher, ein paar Menschen grölten ein Lied zu einer verstimmten Fiedel.
Ich band meinen Gaul an einen Haken fest und betrat die Wirtsstube. Sofort starrten mich ein Dutzend Augen misstrauisch an, das Lied und die Gespräche verstummten. Ich sah in die Gesichter von ausgezehrten Fabrikarbeitern, die hier ihren kargen Lohn versoffen, bevor sie nach Hause torkelten zu ihren hungrigen Familien.
»Ein feiner Herr, hä?«, knurrte ein stämmig aussehender Glatzkopf mit dreckiger Lederschürze, offenbar ein Bierkutscher. »Schmeckt’s ihm drüben in der Stadt nicht mehr, dass er zu uns kommt?«
Gelächter brandete auf. Ich blickte an meinem leicht zerrissenen schwarzen Überzieher hinab. Den Zylinder hatte ich bei der wilden Verfolgungsjagd verloren, trotzdem erkannten die Arbeiter sofort, dass ich einer vornehmeren Gesellschaft entstammte.
»Bin Droschkenfahrer und kein feiner Herr«, murmelte ich. »Mein Pferd lahmt, und ich brauche …«
»Nimm den Esel vom Hartinger«, krähte einer. »Was Besseres wirst bei uns in der Au nicht finden!«
Wieder johlten die Männer. Ein paar von ihnen pochten mit ihren Bierhumpen kraftvoll auf die zerkratzten Tische, doch schon bald erlosch ihr Interesse an mir. Ich wollte schon wieder nach draußen gehen und mich nach einem anderen Wirtshaus umschauen, als sich ein älterer grauhaariger Mann, der bislang schweigend an der Theke gestanden hatte, katzbuckelnd an mich wandte. Er trug einen zerschlissenen schwarzen Frack und eine zerbeulte Melone, seine Augen funkelten frech.
»Kann sein, dass ich ein Pferd für den Herrn habe«, schnurrte er und zog an einem rauchenden Tabakstumpen. »Kann sein, kann sein. Wird aber nicht billig.«
»Wie bereits erwähnt, ich bin Droschkenfahrer und …«
»Pah!« Der Mann spuckte eine Ladung Rotz in einen Napf auf der Theke. »Mir machst du nichts vor, Stutzer. War selber mal Kutscher. Du redst wie ein Studierter, nicht wie einer von uns. Also, was zahlst?«
Ich beschloss, mich auf keinen Disput einzulassen, und kramte ein paar Münzen aus meiner Rocktasche hervor.
Der alte Droschkenfahrer kicherte. »Das ist alles? Kauf dir ein Kalb und reit mit dem weiter.«
»Mehr hab ich zurzeit leider nicht. Du kannst das Pferd draußen haben.«
Er
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