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Die Ludwig-Verschwörung

Die Ludwig-Verschwörung

Titel: Die Ludwig-Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Dunkel des Waldes. Vögel flogen krächzend auf, und schon bald merkte ich, dass ich in eine Falle getappt war. Das Wäldchen war eher ein Gehölz, eine winzige Insel, umgeben von flachem sumpfigen Gelände. Die Gendarmen und von Strelitz umkreisten die Baumgruppe und verteilten sich gleichmäßig. An den knackenden Geräuschen im Unterholz merkte ich, dass sie sich mir sternförmig näherten. Wie einen alten Keiler wollten sie mich aus meinem Versteck heraustreiben.
    Ich überlegte nur kurz und entschied mich dann zur Flucht nach vorne. Als ich ganz in der Nähe schleichende Schritte hörte, zog ich meinen Revolver, sprang hinter einem umgestürzten Baumstamm hervor und drückte ohne zu zögern ab.
    Vor mir stand von Strelitz.
    Für einen kurzen Augenblick blieb die Zeit stehen. Ich sah, wie sich der preußische Agent keuchend die rechte Schulter hielt und seine Waffe mit einem dumpfen Geräusch zu Boden fiel. Er taumelte, stürzte, und mit ein paar schnellen Schritten war ich über ihn hinweg.
    Ohne weiter nachzudenken, rannte ich auf den fernen Waldrand zu, hinter dem sich im Mondlicht eine graue, schier endlose Fläche erstreckte. Es war mir klar, dass mich die Polizisten dort draußen wie einen Hasen abschießen konnten, doch im Wäldchen steckte ich ebenso in der Falle. Was hätte ich tun sollen? Mich ergeben? Vermutlich würde von Strelitz meine sofortige Erschießung anordnen, damit keiner vom Komplott der Minister erfahren konnte. Und wenn der Agent tot war? Dann würden mich die Beamten vermutlich allein aus Rachsucht niederschießen. Ich stürmte über die Wiese und war darauf gefasst, jede Sekunde den tödlichen Schuss im Rücken zu spüren.
    In diesem Moment geschah ein Wunder.
    Nur ein kurzes Stück von mir entfernt stand plötzlich mein Pferd. Ruhig und friedlich graste es, beleuchtet von den Strahlen des Mondes wie ein Einhorn in einer Feenlandschaft. Es hob den Kopf, als es mich am Waldrand witterte.
    Ich atmete einmal tief durch, dann rannte ich wie noch nie zuvor in meinem Leben. Wieder waren hinter mir Schreie und Schüsse zu hören, doch ich achtete nicht weiter darauf, sondern schwang mich auf den Rappen und stieß ihm meine Fersen in die Seite. Das Pferd bäumte sich wiehernd auf und jagte dann über die sumpfigen Felder davon.
    Die Rufe hinter mir wurden leiser, und schon nach kurzer Zeit befand ich mich wieder auf der Landstraße. Ohne mich umzusehen, galoppierte ich weiter, immer weiter, bis vor mir endlich eine schmale steinerne Brücke auftauchte.
    Die Brücke nach Linderhof.
    Ich sprengte darüber hinweg und hielt vor dem ummauerten Schlosspark. In seinem Inneren konnte ich auf einem Hügel den Venustempel weiß schimmern sehen, dahinter befand sich das Schloss. Ich war kurz vor dem Ziel, doch das eiserne Tor war um diese Zeit verschlossen. Also sprang ich vom Pferd und rüttelte wie ein Wahnsinniger daran.
    »Heda!«, rief ich, heiser von der überstürzten Flucht. »Im Namen des Königs! Sofort aufmachen!«
    Plötzlich waren hinter mir die Hufschläge eines galoppierenden Pferdes zu hören, das schnell näher kam. Noch einmal zerrte ich am Gatter und brüllte nach dem Pförtner. Endlich ertönten schlurfende Schritte und das Klirren eines Schlüssels.
    »Ja doch, in Dreiteufelsnamen!«, brummte eine Stimme hinter dem Tor. »Vier Uhr in der Früh ist’s, geduld er sich doch!«
    In diesem Augenblick tauchte auf der Brücke eine riesige Gestalt auf, ein Monstrum aus einer Schattenwelt. Ich brauchte einen Moment, um zu erkennen, dass es ein Mann auf einem Pferd war, dessen Mantelschöße im Wind wie zwei große Flügel flatterten.
    Es war von Strelitz.
    Mit einem Fetzen Tuch hatte er notdürftig Oberarm und Schulter abgebunden. Hoch aufgerichtet saß er auf seinem Schimmel und hielt mit der linken Hand die Pistole auf mich gerichtet, das Gesicht von Hass und Schmerzen verzerrt. Mit offenem Mund, vor Angst unfähig, mich zu rühren, starrte ich in die Mündung der Pistole und erwartete jeden Moment, einen Feuerstrahl daraus hervorzischen zu sehen.
    Doch dazu kam es nicht mehr.
    Quietschend öffnete sich vor mir das Gatter. Das Pferd am Zügel haltend taumelte ich durch einen schmalen Spalt in den Park, stolperte und fiel beinahe ohnmächtig ins hohe Gras. Es folgte ein lauter Krach, von dem ich nicht sagen konnte, ob er von der Pistole oder der sich schließenden Pforte herrührte. Dann wurde mir endgültig schwarz vor Augen, ich roch modriges Laub und spürte, wie mein Rappe mir über das

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