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Die Lüge im Bett

Die Lüge im Bett

Titel: Die Lüge im Bett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gaby Hauptmann
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ihr entgegenkommt, sehr genau.
    Du spinnst wirklich, sagt sie sich plötzlich, denn sie gesteht sich ein, wozu ihr Unterbewußtsein sie getrieben hat: nach der alten Dame zu suchen. Nach einer halben Stunde kommt sie an die Unfallstelle. Sie hält an. Die Leitplanke ist noch immer beschädigt, genaugenommen hat sie Fahrerflucht begangen. Sie hätte es wirklich der Polizei melden müssen. Nina stellt ihre Scheibenwischer an, durch die verschmierte Scheibe suchen ihre Augen den nassen Asphalt ab. Was hoffst du denn zu finden, fragt sie sich, eine Visitenkarte? Bitte, Nina, rufen Sie mich an? Sie haben mich mit diesem Auto zwar fast abgeschossen wie der Jäger einen Hasen, aber ich warte auf Sie, löse gern alle Ihre Probleme, habe Verständnis für Ihren Jagdinstinkt?
    Nina fährt weiter. Aber im nächsten Dorf schaut sie sich jedes geparkte Auto an, biegt sogar ins neue Wohnviertel ab und fährt dort kreuz und quer durch die Straßen. Nichts. Sie fährt zurück auf die Landstraße, in Richtung ihrer Eltern.
    Inzwischen ist sie wieder halbwegs bei Laune. Draußen schneit es in dicken Flocken. Im Auto ist es kuschelig warm, sie hört Maria Glenn und singt lauthals mit. Immer wieder versucht sie der Identität dieser Frau auf die Spur zu kommen. Autotelefon. Worauf läßt das schließen? Sie muß ständig erreichbar sein. Aber für wen? Ist sie Ärztin? Für eine Unfallärztin ist sie sicherlich zu alt. Rechtsanwältin? Kein Dringlichkeitsberuf. Journalistin? Nina ist auch Journalistin und hat kein Autotelefon. Aber vielleicht ist diese Frau auch einfach Großmama, und ihre Enkel plaudern gern mit ihr auf der Hin- und Rückfahrt. Und schlußendlich könnte es auch der Wagen ihres Sohnes sein. Oder der ihrer Tochter. Nina stöhnt und dreht die Musik lauter. Ein hoffnungsloser Fall.
    Ehe sie sich versieht, steht ihr Wagen vor dem Haus ihrer Eltern. Es ist Freitagabend. Alle gehen aus, zum Essen, in die Disco, ins Fitneßstudio, zu allen möglichen Veranstaltungen - und sie, fast dreißigjährig, fährt zu Mama und Papa? Das kann nicht sein! Eher geht sie in ein Hotel. Sie stellt den Motor ab. Oder fährt nach Bad Tölz zu Karin! Aber in Bad Tölz liegt der Neuschnee sicherlich bereits meterhoch auf der Straße, und für ein Hotel hat sie kein Geld. Für die Fahrt nach Bad Tölz im übrigen auch nicht. Und für die Winterreifen schon gar nicht.
    Sie sieht sich selbst dabei zu, wie sie aussteigt, abschließt, zur Haustür geht und klingelt. Einmal lang, zweimal kurz. Alle Fenster sind dunkel, das fällt ihr jetzt erst auf. Nina klingelt noch mal, dann kramt sie den Haustürschlüssel aus ihrer Umhängetasche. Bitte, das darf doch nicht wahr sein! Selbst ihre Eltern haben an einem einfachen Freitagabend Besseres zu tun, als auf ihre Tochter zu warten! Die ganze Welt hat sie verraten und verkauft!
     
    Es ist wieder der Kaffeeduft, der sie weckt. Nina verbindet damit diesmal aber unangenehme Erinnerungen und bemüht sich, die Augen nicht zu öffnen, bis ihr schließlich klar wird, daß sie nicht zu Hause ist. Sie richtet sich langsam auf. Klar, nach einer Flasche Wein und einem Cognac ist sie irgendwann frühmorgens in ihrem Zimmer gelandet. Es ist fast noch so wie damals, nur das Bett war nicht gerichtet. Sie hat sich nicht mehr die Mühe gemacht, nach frischer Bettwäsche zu suchen, sie hat sich eine flauschige Kinderdecke übers Gesicht gezogen und war sofort eingeschlafen. Jetzt hat die zu kurze Decke einer Daunendecke Platz gemacht. Nina faßt sich an den schmerzenden Kopf. Also ist sie entdeckt worden. Kein Wunder, ihr Auto steht ja vor der Tür und die Flasche leer auf dem Tisch.
    Auf der Treppe begegnet sie ihrer Mutter. »Ich wollte eben nach dir schauen«, sagt Ilse Wessel, frisch und munter in einem hellen Winterpullover.
    »Was gibt's denn da zu schauen?« fragt Nina mürrisch und wird sich angesichts ihrer putzmunteren Mutter ihres verschlafenen Gesichts und ihrer zerknautschten Kleidung bewußt.
    »Ach, nur so«, ihre Mutter dreht auf dem Absatz um und geht vor ihr die Treppe wieder hinunter.
    »Wo seid ihr überhaupt so lange gewesen?«
    Ihre Mutter lacht und geht in die Küche. »Irgendwie kommt mir die Frage bekannt vor - magst du ein Ei?«
    Nina setzt sich auf den Stuhl, auf dem sie als Kind und als Jugendliche jeden Morgen gesessen hat. Stets zehn nach sieben noch ein Schnell-schnell-Frühstück, bevor sie sich auf ihr Fahrrad schwang. Sie blickt automatisch zu der Uhr, die sie dreizehn Jahre lang getrieben

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