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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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er kein Wort mit ihr. Sie war ihm dankbar dafür, sah sich im Geist bereits in einer Menschenmasse verschwinden, irgendwo in Paris. Die Seine, Notre-Dame, der Arc de Triomphe, der Louvre und der Eiffelturm, viel mehr wusste sie nicht über die Stadt. Über die beiden Menschen, in deren unmittelbarer Nähe siesich in den nächsten Stunden aufhalten sollte, wusste sie gar nichts. Doch das war ihre geringste Sorge. Sie wollte ja nicht lange bleiben. Ein «Nice to see you, Phil», beziehungsweise «Pamela», musste reichen.
    Auf dem Parkplatz am Flughafen bewegte sie sich noch auf vertrautem Boden, ihren Plänen nach zum letzten Mal. Am Serviceschalter der Lufthansa lagen die Tickets bereit. Michael wollte gleich einchecken, dann noch einen Kaffee trinken und eine Kleinigkeit essen. Ab da kannte sie sich nicht mehr aus. Doch es fiel nicht auf, sie musste ihm nur folgen. Er führte sie in einen Bistrobereich mit Selbstbedienung, holte zwei Kaffee und für sich ein Stück Obststreusel.
    Sie hatte keinen Appetit. Der Abschied drückte schwer auf den Magen. Es klang so leicht – untertauchen. Es in die Tat umzusetzen war grausam. Alles Vertraute zurücklassen, ihre Mutter, die an Nadias Grab vielleicht von Dieter oder von Johannes Herzog gestützt wurde, wie sie es einmal geträumt hatte. Aber ihre Mutter wollte sie so bald wie möglich anrufen und später zu sich holen. Der Gedanke tröstete sie ein wenig.
    Während Michael den Kuchen aß, fiel ihm endlich auf, dass sie seit Tagen nicht mehr geraucht hatte. Er wunderte sich, dass sie es ausgerechnet in dieser Situation schaffte, enthaltsam zu bleiben.
    «Leicht fällt mir das nicht», sagte sie. «Ich beiße eben die Zähne zusammen und stehe es durch, den Entzug ebenso wie deine Verdächtigungen. Wie soll ich dir sonst beweisen, dass ich nicht mehr die Frau bin, für die du mich hältst?»
    Warum sie das sagte, wusste sie beim besten Willen nicht. Es war doch vorbei. Aber vielleicht wollte sie, dass er irgendwann wusste, sie hatte ihn wirklich geliebt in den wenigen Tagen, die sie mit ihm hatte verbringen dürfen. Er antwortete nicht, schaute sie nur nachdenklich an.
    Dann ging es durch die Sicherheitskontrolle und an Bord einer Boeing 737.   Für ihr Empfinden war alles kleiner und enger als in einem Bus. Doch die Enge störte nicht mehr, als sie endlich auf ihrem Platz am Fenster saß. Fliegen! Zum ersten Mal in die Luft, über den Wolken! Gespannte Erwartung löste vorübergehend alle anderen Empfindungen ab.
    Es gab nur einen verräterischen Moment, als Michael sie darauf hinwies, dass sie noch nicht angeschnallt war, und sie nicht wusste, wie sie den Beckengurt ihrer Größe anpassen konnte. Er schrieb ihn wie all die vorangegangenen verräterischen Momente ihrer Nervosität zu. Stutzig wurde er nicht.
     
    Die Maschine begann zu rollen und beschleunigte. Sie fühlte sich in ihren Sitz gepresst. Dann hob die Boeing ab, und es war ein Gefühl, als quetsche man ihr das Hirn nach unten aus dem Schädel. Ein ungeheurer Druck legte sich auf ihre Ohren. Ihr Magen krampfte sich zusammen, nie zuvor war ihr dermaßen übel gewesen. Mit offenem Mund atmete sie tief ein und aus, fühlte Hände, Stirn, Rücken, den gesamten Körper feucht werden.
    Tief unten kippte die Erde zur Seite. Sie konnte sich das nicht ansehen, hatte das Gefühl zu stürzen und fixierte eine der Klappen, hinter denen die kleineren Gepäckstücke verschwunden waren. Aus den Augenwinkeln sah sie die grauen Schleier vor dem winzigen Fenster dichter werden und plötzlich verschwinden. Die Maschine hatte ihre Reiseflughöhe erreicht. Draußen war es strahlend hell, der Himmel von einem makellosen Blau. Im Gang demonstrierte eine Stewardess, wo sich die Notausgänge befanden und wie die Sauerstoffmaske funktionierte. Sie fühlte etwas wie einen Quirl im Kopf und im Magen, legte eine Hand vor den Mund und versuchte, das Würgen zu unterdrücken.
    «Was ist los, Nadia?», hörte sie Michael fragen.
    «Mir ist furchtbar schlecht», stöhnte sie. Übel, hatte sie sagen wollen. Nadia hätte bestimmt übel gesagt. «Ich glaube, ich muss mich übergeben.» Sie glaubte es nicht nur, es steckte bereits in der Kehle.
    Michael nahm ihre Handtasche, die sie neben sich in den Sitz geklemmt hatte. Er suchte wohl nach Papiertüchern, bekam aber stattdessen das Bündel Geldscheine in die Finger. In der Bank hatte sie es nur so in die Tasche gesteckt. Und natürlich wunderte es ihn, dass Nadia mit einem Packen Bargeld

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