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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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einer Wohnküche zusammen mit einem dritten Mann, als Pamela sie eine halbe Stunde später aus dem Bad führte. Der Fremde erhob sich und bückte sich nach einem Köfferchen neben seinem Stuhl, unverkennbar eine Arzttasche. Mit ein paar französischen Worten an die beiden Männer schloss er sich Pamela und ihr an. Pamela blieb diskret vor der Tür des kleinen Zimmers zurück.
    Über die ersten Minuten half sie sich mit einem halben Dutzend Ouis hinweg. Sie nahm an, dass der Arzt Fragen nach ihren Beschwerden stellte. Er maß ihren Blutdruck, tastete den Magen ab. Die Blutdruckwerte waren extrem niedrig. Das musste er ihr nicht erklären. Sie sah es selbst an seinem Messgerät. Ihr Magen schien in Ordnung zu sein. Er tastete tiefer, stutzte, fragte etwas.
    «Oui», sagte sie.
    Seine Finger drückten weiter auf ihren Unterleib. Hinter ihm wurde die Tür geöffnet, Michael kam herein. Phil spähte über seine Schulter – ungeachtet der Tatsache, dass sie fast nackt auf der Couch lag. Der Arzt deckte sie mit dem Bademantel zu und sagte: «Madame, vous êtes enceinte, vous comprenez?»
    Er hatte längst bemerkt, dass sie ihn nicht verstand.
    «Was hat er gesagt?», fragte Michael.
    Ehe sie oder der Arzt antworten konnten, drosch Phil ihm eine Hand auf die Schulter und brüllte einen Jauchzer in den tristen, kleinen Raum: «Congratulations, Daddy!»
    Das verstand sie, konnte sich sogar einen Reim auf Michaels Antwort machen. «Impossible!» Dann wandte er sich ausgerechnet an sie, um dem Arzt unmissverständlich klar zu machen, dass er sich irren musste. «Was heißt sterilisiert auf Französisch?»
    Der Arzt verzichtete auf die Übersetzung, zog ein Stethoskop aus seiner Tasche, steckte sich die beiden Stöpsel in die Ohren, drückte die kühle Platte unter dem Bademantel auf ihren Unterleib. Lange musste er nicht suchen. Er reichte Michael die Ohrstöpsel. Michael horchte angestrengt.
    Sie hatte das Gefühl, als müsse in der nächsten Sekunde ihr Herz aussetzen. Nun musste er begreifen! Weil ein medizinischer Eingriff eine Grenze gezogen hatte. Er schaute mit aufgewühlter Miene auf sie hinunter. Ihre Panik legte ihm Worte in den Mund. Du bist nicht Nadia! Stattdessen fragte er: «Willst du das Herz einmal schlagen hören?»
    Sie schüttelte den Kopf. Er drückte dem Arzt das Stethoskop in die Finger, drehte sich um und verließ den kleinen Raum. Der Arzt packte seine Tasche wieder ein und folgte ihm. In der Wohnküche schrieb er noch ein Rezept aus und nahm seinen Lohn in Empfang – wieder aus ihrer Handtasche. Dann hörte sie ihn die Wohnung verlassen.
     
    Paris! Allein in einem alten Bademantel auf einer abgewetzten Couch unter einer nackten Glühbirne, deren Licht sich im nackten Fenster spiegelte. In ihrem Hinterkopf fragte Andrea unentwegt: «Wollen Sie Wenning verklagen?» Darauf konnte sie sich nun einen Reim machen. Aus der Wohnküche drang Gemurmel und das Klappern von Geschirr. Die Tür zum Flur stand offen. Etwa eine halbe Stunde lang blieb sie allein mitihrer Panik. Dann erschien Pamela bei der Tür und fragte kühl: «Would you like some chicken?»
    Sie nickte nur. «Dinner is ready», sagte Pamela. Die Einladung klang nach tiefgefrorenem Hühnchen.
    Die Stimmung in der Wohnküche war gedrückt, alle sprachen etwas langsamer, sodass sie einiges mitbekam. Bei den Namen gab es ohnehin kein Problem. Man hielt sie immer noch für Nadia. Michael erzählte von Hardenberg, Heller, Susanne Lasko, Wolfgang und Nassau. Ein Haus mit eigenem Strand, eine Nummer größer als die Villa, die ihr Vater ihr geschenkt hatte. Sie kannte nur diese Größenordnung. Und egal, wie viel sie hatte, sie wollte mehr. Geld, Geld, Geld, daneben zählte nichts. Und auf die Wunden, die sie schlug, klebte sie Pflaster aus Luxus. Ein Jaguar für die Schreckenszeit nach ihrem ersten Schiffbruch. Natürlich ein schönes Auto, aber er hätte es nicht unbedingt gebraucht.
    Hin und wieder warf er ihr einen feindseligen Blick zu. Phil und Pamela taten, als sei sie gar nicht vorhanden. Vielleicht hätte sie dankbar sein müssen. Michael kam auf das Geldbündel in ihrer Handtasche, vermutete sarkastisch, es reiche wohl noch, die Abtreibung in einer Klinik zu bezahlen. Als Pamela den Kaffee servierte, fiel ihm ein, dass sie sich dringend im Hotel melden mussten. Er wollte rasch anrufen.
    «Tut mir Leid», murmelte sie. «Ich habe nicht daran gedacht, ein Hotelzimmer zu buchen.»
    «Das kann ich mir denken», fauchte er. «Du bist ja auch kaum

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