Die Lüge
zermürbend, dass sie sichzurücksehnte in anderthalb Zimmer und die Hoffnungslosigkeit. Da waren die Begegnungen mit Heller im Treppenhaus entschieden leichter zu ertragen und vor allem kalkulierbar gewesen.
Zurkeulen bat seinen Begleiter, er möge Herrn Trenkler ins Bad führen. Wenn er die Verletzung kühle, würde die Schwellung nicht so gravierend werden. Angesichts der Pistole, die sich längst auf ihn gerichtet hatte, sah Michael wohl keine Chance, etwas gegen die beiden Männer auszurichten. Er stand auf, aber er ging nicht ins Bad, sondern zum Ankleidezimmer. Ehe er die Tür öffnete, drohte er Zurkeulen: «Wagen Sie es nicht, meine Frau anzurühren.»
Und Zurkeulen erkundigte sich lächelnd: «Sind Sie absolut sicher, dass diese Dame Ihre Frau ist?»
Michael wirbelte herum, starrte erst Zurkeulen an, dann sie. Ramon grinste und leckte sich genüsslich die Lippen. Und sie konnte nicht einmal mehr atmen, fühlte das Blut aus dem Hirn weichen.
«Ich hatte kürzlich das Vergnügen mit einer anderen Dame, die darauf bestand, Nadia Trenkler zu sein und mir aus genau diesem Grund nicht behilflich sein zu können», erklärte Zurkeulen.
«Sie haben die Frau umgebracht!» Michael flüsterte nur, aber in der gespannten Atmosphäre hallte es wie Donner in ihren Ohren.
«Aber nein», sagte Zurkeulen. «Mir käme es niemals in den Sinn, eine Frau zu töten. Es gibt zu viel Schönes, das man mit einer Frau erleben kann.» Sein Blick glitt über ihr Gesicht und die Hände, die das Laken über der Brust festhielten. «Darf ich Sie nun bitten, mir ein paar Minuten mit Ihrer Frau einzuräumen?»
Er deutete auf das Ankleidezimmer und warf seinem Begleiter einen auffordernden Blick zu. Dann kam er um dasBett herum und schaute lächelnd auf sie hinunter. «Nadia Trenkler», sagte er, ließ einen Seufzer folgen. «Wenn Ihr Mann davon überzeugt ist, werde ich mich ihm wohl anschließen müssen. Man sollte annehmen, dass ein Mann spürt, mit wem er das Bett teilt.»
Er setzte sich zu ihr. Ramon stand unverändert an der Flurtür. Es schien fast, als warte er auf ein besonderes Schauspiel, das er keinesfalls versäumen wollte.
«Ramon», bat Zurkeulen energisch. «Kümmerst du dich bitte um Herrn Trenkler. Ich möchte verhindern, dass er Dummheiten macht.» Dann umfasste er ihre Handgelenke und zog ihre Hände mitsamt dem Laken nach unten. «Ich glaube, das brauchen wir nicht.» Sein Lächeln behielt er bei, als er die Augen von ihrem Gesicht nach unten wandern ließ. «Hübsch», sagte er. Den Augen folgte eine Hand in einem schwarzen Lederhandschuh. «Und sehr empfindlich, nicht wahr?»
Sie fühlte ihn gar nicht, sah nur Ramon das Zimmer durchqueren und mit der Pistole das Ankleidezimmer betreten. Und der rote Fleck auf dem Hemd des Filialleiters wurde rasch größer. «Nein», schrie sie. «Lass meinen Mann in Ruhe! Wenn du ihn …»
Zurkeulen legte ihr eine Hand auf den Mund. «Pst», machte er. Im Ankleidezimmer blieb es still. Allmählich spürte sie das Leder auf der linken Brust, den schmerzhaften Druck, den seine Hand ausübte. «Sie tun mir weh.»
Er drückte stärker zu. «Das ist meine Absicht. Es könnte noch schmerzhafter werden. Es liegt bei Ihnen, sich das zu ersparen.»
Vielleicht war es nur der Schmerz, der die Panik in Schach hielt. Vielleicht war es die Gewissheit, dass Zurkeulen keine Sekunde zögern würde, sie zu töten – und Michael und die Person, die ihm ins Haus verholfen hatte und auf dem Flurliegen musste. Sie war überzeugt, es sei Jo. Er hatte den Hausschlüssel noch nicht zurückgegeben, er konnte die Alarmanlage bedienen.
«Was wollen Sie von mir?»
«Sechs Millionen», sagte Zurkeulen.
Es wäre bestimmt vernünftiger gewesen zu sagen: «Gut, ich gebe Ihnen das Geld.» Für Nadia wäre es vernünftiger gewesen, für sie nicht. «So viel ist nicht im Haus», sagte sie. «Schauen Sie nach, wenn Sie mir nicht glauben. Der Tresor steht auf dem Dachboden. Mein Mann wird ihn bestimmt gerne öffnen.»
Er betrachtete sie nachdenklich. Und wie schon bei Michael schlug er wieder unvermittelt mit der Linken zu, so heftig, dass sie zurück in die Kissen flog. Sie schmeckte Blut im Mund, ihre Lippe schwoll an. Gleichzeitig presste seine rechte Hand ihr die Brust zusammen, dass sie unwillkürlich aufschrie.
«Nadia?», schrie Michael.
«Sagen Sie Ihrem Mann, er soll sich zurückhalten», verlangte Zurkeulen. «Sonst kann ich nicht garantieren, dass er die nächsten Minuten überlebt. Und
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