Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
Vom Netzwerk:
eigentlich aus der Seele. Andererseits, sie konnte es sich nicht so ohne weiteres leisten, zweitausend Euro pro Monat sausen zu lassen, nur weil sie irgendwelche – möglicherweise völlig absurde – Bedenken hatte. Und gegen die Bedenken ließ sich auch etwas tun.
    Sie holte ihren Bewerbungsblock und begann: «Am 25.7. begegnete ich im Gerler-Bürohaus Nadia Trenkler.» Alles, was seitdem geschehen war, hielt sie fest, sogar Hellers verrückte Behauptung, der Meinungsforscher sei ein Schnüffler gewesen. Sie schloss mit den Abweichungen Blutgruppe, Muttermal und Schädelbruch, steckte die Seiten in einen großen Umschlag, schob die Schnipsel mit den Namen und Zahlen dazu.
    Danach überlegte sie, wo sie den Umschlag deponieren könnte. Ihn ihrer Mutter zu geben mit der Bitte: «Wenn ich nicht mehr zu Besuch komme, lass dir das vorlesen und gib es der Polizei», schied aus. Agnes Runge hätte einen Herzinfarktbekommen aus Sorge um die einzige Tochter. Einen Anwalt, bei dem sie diese «Lebensversicherung» hinterlegen könnte, kannte sie nicht. Ihr Scheidungsanwalt war ein spindeldürrer, eiliger Wicht gewesen, nur an seinem Honorar interessiert. Im Grunde gab es nur einen, der ihre Aufzeichnungen im Notfall entsprechend verwerten konnte – bei allem Groll, den sie gegen ihn hegte   –, Dieter Lasko. Ihm den Umschlag zu schicken wäre jedoch ein Fehler gewesen. Er würde sich an die Stirn tippen und seiner Ramie erklären: «Jetzt liest Susanne zur Abwechslung wohl pfundweise Krimis.» Da musste sie sich etwas anderes einfallen lassen. Ihr fiel auch etwas ein.
     
    Montags gab Jasmin Toppler ihr den Wohnungsschlüssel und stieg anschließend mit einem großen Koffer in ein Taxi. Nur fünf Minuten später schob sie ihren Umschlag unter Jasmins Bettwäsche. Sie hatte ihn zugeklebt und beschriftet mit Name und Anschrift ihres geschiedenen Mannes sowie dem Hinweis, ihn Dieter auszuhändigen, falls sie überraschend ihre Wohnung kündigen und vergessen sollte, den Umschlag zurückzufordern. Es mochte lächerlich klingen, und Jasmin mochte darüber denken wie Dieter. Aber es beruhigte.
    Nachdem das erledigt war, wandte sie sich einem weiteren Aspekt zu. Für einen längeren Einsatz musste sie einfach besser vorbereitet sein. In den folgenden Tagen notierte sie alles, was ihr in den Sinn kam und wichtig erschien. Was musste sie unbedingt wissen, was sollte sie außerdem wissen, was könnte nicht schaden, wenn sie es wüsste?
    Donnerstags traf sie Nadia wie verlangt im Parkhaus. Als sie sicherheitshalber ihre Aufzeichnungen erwähnte, hatte Nadia dafür nur ein amüsiertes Lächeln. Ihren Fragebogen dagegen fand Nadia umsichtig. Erleichtert stellte sie fest: «Du machst es also», und gestand, sie habe ihr nicht auch noch zumuten wollen, Unmengen von Daten und Ereignissen auswendig zulernen. Da sie Michael nur die kalte Schulter zeigen sollte, sei es eigentlich überflüssig. Aber es könne natürlich nicht schaden, wenn sie auf Notsituationen vorbereitet wäre.
    Sie fuhren im Porsche ins Grüne. Nadia erzählte einige Anekdoten, die gelegentlich in Unterhaltungen mit Jo und Lilo oder Wolfgang und Ilona zur Sprache kamen. Falls ein Thema angeschnitten würde, zu dem sie nichts beitragen könne, reiche es, abzuwinken und zu sagen: «Erinnere mich bloß nicht daran.»
    Mit anderen Leuten, meinte Nadia, käme sie nicht in Berührung. Zu den Bewohnern der beiden gegenüberliegenden Häuser pflegte Nadia keinen intensiven Kontakt. Eins gehörte Niedenhoff, einem Pianisten, der erst zu Beginn des Jahres eingezogen und meist auf Tournee war. Im zweiten lebte eine Schauspielerin, die man auch kaum zu Gesicht bekam. Eine verschrobene Person, die mit affenartiger Liebe an ihrem Hund hing und ihrem Sohn nur halb so viel Zeit widmete, mit bürgerlichem Namen Elenor Ravatzky. Eine illustre Nachbarschaft, fand Susanne, jedenfalls auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Ein Pianist und eine Schauspielerin. Das erklärte ihren Eindruck, die aufgeregt wirkende Frau schon mal irgendwo gesehen zu haben.
    Nadia erklärte ein wenig zur eigenen Person. Geboren und die ersten Jahre zur Schule gegangen war sie in Düsseldorf, wo sie auch später längere Zeit gelebt und gearbeitet hatte. Ihre Eltern waren vor Jahren nach Genf verzogen, dort stammte ihre Mutter her. Ihr Vater war beruflich sehr stark eingespannt, hatte nicht einmal Zeit für ein kurzes Telefongespräch. Ihre Mutter engagierte sich kulturell und kam ebenfalls nicht dazu, einmal

Weitere Kostenlose Bücher