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Die Lüge

Die Lüge

Titel: Die Lüge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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sie noch. Dann verschloss er ihr den Mund.
     
    Es war ein langer Kuss, für sie der erste nach endlos langer Zeit. Anfangs war es neu und fremd, dann war es zärtlich, wenn auch nicht sonderlich bequem mit dem zur Seite gedrehten Kopf. Später wurde es drängend, erregend und bequemer. Er rutschte von ihr und der Couch herunter, entledigte sich seiner Hose, der Unterwäsche und der Socken. Sie schloss die Augen wie ein Kind, das sich einbildet, nicht gesehen zu werden, wenn es selbst nichts sieht. Und trotz der Dunkelheit nahm sie jede Bewegung wahr mit von Panik geschliffenen Sinnen. Sie wusste nur nicht, wie sie das, was jetzt kam, noch verhindern sollte, wusste nicht einmal, ob sie es überhaupt verhindern wollte. Ihr Verstand hämmerte mit dem sich beschleunigenden Herzschlag um die Wette: Nein! Ihr Gefühl reagierte einfach nur.
    Er drehte sie um, küsste und streichelte weiter. Zu Anfang stutzte er einmal. Sie blinzelte und sah seinen nachdenklichen Blick auf ihre Brüste gerichtet. Im selben Moment kam die Furcht. Jetzt hatte er den infamen Betrug entdeckt. Jetzt musste er begreifen. Nein, er beugte sich erneut über sie und ließ die Lippen über das gleiten, was ihn kurzzeitig aus dem Konzept gebracht hatte.
    Mit unerbittlicher Zärtlichkeit trieb er sie weiter. Und es kam ein Punkt, da schob sie sich über ihn und gab ihm alles zurück. Es lag nicht nur an der langen Enthaltsamkeit und dem Hunger nach Liebe. Es war vielleicht mehr sein Stutzen. Er hielt noch mehrfach mitten in einer Bewegung inne. Wenn sie die Augen öffnete, sah sie seinen halb verschleierten, halb fragenden Blick. Er spürte wohl, dass etwas anders war, ganzanders. Aber er begriff es nicht, konnte es nicht begreifen, weil es in letzter Konsequenz zu ungeheuerlich war. Und in ihr wucherte neben der wachsenden Erregung die Furcht, er könne in allerletzter Sekunde doch noch erkennen, dass man ihm eine Kopie untergeschoben hatte. So blieb am Ende nichts weiter, als anzunehmen, was er bot, und zu hoffen, dass Nadia so ähnlich reagierte.
    Später lag er neben ihr auf der Couch, hielt sie im Arm, fuhr noch einmal die Punkte ab, die ihn verwirrt hatten, und suchte nach rationalen Erklärungen. Mit einer Hand auf ihrer Brust meinte er: «Du hast ein paar Gramm zugelegt, was? Komm bloß nicht auf die Idee, einen Diättag einzulegen. Du fühlst dich gut an so.» Dann umkreiste er mit einer Fingerspitze ihren Nabel und tippte auf ihr Muttermal. Das Badewasser hatte die Schminke abgewaschen. «Seit wann hast du das?»
    Sie fühlte sich wie betäubt von dem, was nie hätte geschehen dürfen, und noch benommen von dem, was es in ihr ausgelöst hatte, schaute sie an sich hinunter. «Ach das, schon   …» Sie brach ab, biss sich auf die Lippen. «Seit gestern. Es ist nur ein Pickelchen.»
    «So sieht es aber nicht aus», stellte er fest. «Und die Diagnose überlassen wir Leuten, die es beurteilen können. Du wirst damit zu Reusch gehen. Und bis das geklärt ist, ist die Sonnenbank gestrichen.»
    «Ja», sagte sie nur.
    Er stand auf und zog sie von der Couch hoch. «Gehen wir ins Bett, jetzt bin ich wirklich müde. Wie geht’s deinem Rücken?»
    «Gut. Die Kopfschmerzen sind auch weg.»
    «Das will ich doch hoffen», sagte er und lächelte. «Noch eine Behandlung könnte ich dir heute nicht bieten.»
    Sie ging ins Bad, benutzte die Toilette und ließ die Tamponschachtelim Schrank verschwinden, ehe er sie bemerken konnte. Im Schlafzimmer begann sie zu frösteln. Es war warm im Raum, an der Temperatur lag es nicht. Er hatte sich nicht die Mühe gemacht, in seine Hose zu schlüpfen, stand neben dem Doppelbett und entfernte den Überwurf. Dann ging er ins Ankleidezimmer. Sie mochte sich nicht hinlegen, wusste nicht, auf welcher Seite des Bettes Nadia schlief, und huschte noch einmal ins Bad.
    Ein paar Minuten später folgte er ihr, frische Kleidung über dem Arm und einen kleinen Wecker in der Hand, den er ins Korbregal stellte. Gemeinsam mit ihm ging sie zurück ins Schlafzimmer. Er legte sich ins linke Bett und klopfte mit der Hand auf das Laken. «Komm, ich halte dich fest, wenigstens bis zwölf. Dann hast du schon fast einen ganzen Tag durchgehalten.»
    Sie schob sich dicht an ihn heran, er legte einen Arm über sie und war kurz darauf eingeschlafen. Sie lag wach und wagte nicht, sich zu rühren. Das Bett war ungewohnt, das Kopfkissen zu prall, das Laken zu kühl, seine Haut in ihrem Rücken warm. Sein Atem strich ihr über Ohr und Nacken. Und sie

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