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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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Feldweg im hohen Gras. Er bremste und nahm die zweite Einfahrt. Nirgends markierte ein Schild die schmale Straße. Die Hinterreifen drehten durch, dass der Schotter spritzte, fassten dann aber doch.
    Auf dem Beifahrersitz piepste es leise. In seiner Lederjacke. Er wühlte nach seinem Handy und klappte es auf. Shazia.
    «Was gibt’s?»
    «…   den?   … fertig   …»
    «Moment, bleib dran. Ich habe nichts verstanden.»
    Nach der nächsten Kurve war ihre Stimme ebenso laut und deutlich zu hören wie ihre Aufregung. «Es ist H5.»
    Okay. Dann wussten sie jetzt, mit welchem Hämagglutinin sie es zu tun hatten. Aber das war erst die halbe Miete. «Dann kannst du dich an die Bestimmung der Neuraminidase-Subtypen machen.
    «Soll ich eine Sendung an die NVSL vorbereiten?»
    Ob es noch zu früh war, das nationale Veterinäramt zu alarmieren? Sofort würde sich ein riesiges offizielles Räderwerkin Gang setzen. Peter sagte nichts, aber er wollte vorher selbst noch einige Tests machen. Vor seinem geistigen Auge sah er wieder die Blauflügelenten im Wasser treiben. Und jetzt war er unterwegs zum nächsten toten Schwarm. «Ja, mach das», sagte er zu Shazia. «Es kann nicht schaden, vorbereitet zu sein.»
    Peter lenkte auf die Böschung und hielt hinter zwei Fahrzeugen der Naturschutzbehörde FWS und einem privaten Pick-up. Daneben standen zwei Männer in Khaki und redeten miteinander. Der kleinere drehte sich zu ihm um, und Peter erkannte Dan.
    «Tag, Peter.» Er streckte die Hand aus. «Schön, dass du’s einrichten konntest.»
    Peter schüttelte ihm die Hand. «Du hast Verstärkung mitgebracht?»
    «Du wirst sehen, warum.» Dan deutete auf den Mann neben sich. «Das ist Special Agent Monroe. Mike, das ist Peter Brooks, einer unserer Veterinärmediziner. Wir kennen uns seit einer Ewigkeit.»
    Mike Monroe gab ihm ebenfalls die Hand. «Wie ich höre, haben Sie gestern schon einen toten Vogelschwarm gefunden.»
    «Habe gerade erfahren, es ist H5», sagte Peter. «Wonach sieht es hier aus?»
    «Der Schnelltest zeigt an, dass es sich um Influenza handelt. Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen, aber Herrgott», Dan rieb sich den Nacken und verzog das Gesicht, «was sollte es sonst sein, wenn die Enten so schnell daran zugrunde gehen? Komm mit, ich zeig’s dir.»
    Der Pfad führte durch den Wald. Die Kiefern verströmten ihren intensiven Geruch, in den Wipfeln brach sich das Sonnenlicht. «Wunderschön», sagte Peter.
    «Ja. Eines unserer beliebtesten Anglerreviere.» Dan blieb stehen. «Wir sollten unsere Sachen überziehen.»
    Peter stellte seine Tasche ab. Ein neues Paar Handschuhe, eine frische Maske und seine alte Schutzbrille mit den verkratzten Kunststoffgläsern.
    «Ich habe überall nachgefragt.» Dan setzte ebenfalls eine Schutzbrille auf. «Sonst wurden keine ungewöhnlichen Vorfälle gemeldet.»
    Das war eine gute Nachricht. «Was ist mit den Geflügelfarmen?»
    «Ich habe sicherheitshalber alle im Umkreis von dreißig Meilen alarmiert.» Dans Latexhandschuhe klatschten, als er sie überstreifte.
    Peter konnte sich nicht vorstellen, was für finanzielle Folgen das haben würde. Es musste in die Millionen gehen, auf jeden Fall. Er war genauso überrascht gewesen wie die meisten anderen, als er erfahren hatte, dass die USA der weltgrößte Geflügelproduzent war.
    «Haben die Züchter denn irgendwelche Erkrankungen erwähnt?» Sie traten aus dem Wald auf sandigen Boden. Hier roch es nicht mehr so intensiv, und ihre Schritte klangen auf der weichen Erde gedämpft. «Sie wissen schließlich am besten   …»
    Peter verstummte. Er blieb stehen und starrte auf den Anblick, der sich seinen Augen bot.
    Am Ufer lagen dicht an dicht Abertausende Vögel. Noch nie hatte er so viele von ihnen auf einmal gesehen, vor allem nicht so reglos. Das konnte nicht sein. Das konnte einfach nicht sein, und doch   … Das Grauen von Qinghai hatte seinen Weg hierhergefunden, mitten nach Ohio.
    Bis auf seinen keuchenden Atem war alles um ihn herum still.
    Blindlings lief er zum Wasser. Er blieb stehen und sah sie sich an. Stumpfe verklumpte Federn, offene Schnäbel, kleine Füße, die sich im Rhythmus der Wellen bewegten.
    Es waren Grün- und Blauflügelenten, Stockenten, Löffelenten, Spießenten, alle lagen sie durcheinander. Ein Mittelsäger, halb im Wasser, halb am Strand, sah mit seiner zottigen Federhaube, dem langen spitzen Schnabel und den großen Schwimmfüßen so komisch aus wie eh und je. Peter ging in die Hocke.

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