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Die Luft, die du atmest

Die Luft, die du atmest

Titel: Die Luft, die du atmest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Buckley
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«Habe ich dich geweckt?»
    «Ich konnte nicht schlafen.» Er setzte sich seufzend in den Sessel.
    Sie freute sich, dass er da war, freute sich über seine Gesellschaft in dieser dunklen Nacht. Der Traum hatte sie ziemlich aufgewühlt. «Ich habe Tee aufgesetzt.»
    «Klingt gut.» Er nickte in die Richtung des Fernsehers, der stumm vor sich hin spielte, der Bildschirm ein helles Rechteck in der Finsternis. «Gibt’s was Neues?»
    «Auf einer Bohrinsel im Golf von Mexiko ist die gesamte Besatzung erkrankt. Die Ölgesellschaft und die Gesundheitsbehörde in Washington sind sich uneins, wie sie sie medizinisch versorgen sollen.»
    «Treibstoff wird knapp werden.»
    Ja, natürlich. Sie hatte noch gar nicht darüber nachgedacht, was für schreckliche Folgen das alles haben würde. Doch nun schaltete sich ihr Gehirn ein und spielte sie durch. Wenn Benzin und Diesel knapp wurden, konnten die Laster keine Lebensmittel mehr ausliefern. Die Züge würden die Lager nichterreichen. Fabriken würden schließen. «Wie lange kann das gehen?»
    «Kurzfristig werden die Preise steil ansteigen, aber dann werden sie sich wieder beruhigen. Die Regierung hat jede Menge Notfallpläne in der Schublade. Der Präsident kann jederzeit unsere Vorräte anzapfen.» Er gähnte. «Wie viel hast du noch im Tank?»
    «Der ist voll. Ich habe auf dem Rückweg von der Schule getankt.» Das war vor acht Tagen. Es fühlte sich an wie acht Jahre.
    Der Minivan verbrauchte ungefähr zwölf Liter auf hundert Kilometern. Ein voller Tank langte für knapp fünfhundert Kilometer. Fünfhundert Kilometer waren gar nichts, damit kam man bis halb nach nirgends. «Vielleicht können sie ja bald eine neue Besatzung hinfliegen.»
    Peter sagte nichts. Er hörte nicht mehr zu, weil er den Text las, der über den unteren Bildschirmrand lief. Sie kniff die Augen zusammen, um die winzigen Buchstaben zu entziffern. Die beiden Kranken in Minnesota waren gestorben. Aus Chicago wurde von weiteren Fällen berichtet. Aus New Orleans auch. In Detroit gab es einen Verdachtsfall.
    «Minnesota», sagte er. «Illinois, Louisiana, Michigan. Das liegt alles auf der Mississippi-Route der Zugvögel.»
    Ohio auch. Während sie schliefen, hatte sich das Virus unermüdlich weiter ihrem Wohnort genähert. Sie dachte wieder an ihren Traum und schauderte. «Meinst du, das hat was zu bedeuten?»
    «Es ist interessant.»
    Auf dem Herd pfiff der Kessel. Sie stand auf, bevor er lauter wurde. «Kräutertee?»
    «Bitte.» Er folgte ihr in die Küche.
    Der Kessel wackelte auf der Platte. Sie goss das dampfendeWasser in zwei Becher und hängte Teebeutel hinein. «Wann willst du ins Labor?»
    Er nahm den Becher, den sie ihm reichte. «In ein paar Stunden. Wenn ich die Proben untersucht habe, kann ich mich mit den Leuten in Tennessee kurzschließen. Wir werden verschiedene Teilstücke der RNA isolieren, um zu prüfen, ob das Virus gefährlicher geworden ist. Wenn beide Seiten arbeiten, schaffen wir doppelt so viel.»
    «Aber eure Fälle sind Vögel. Lohnt es sich wirklich, sich dafür der Gefahr auszusetzen?»
    «An dem Humanvirus arbeiten alle. Keiner kümmert sich um die Vogelvariante. Aber die Erkrankungen bei den Menschen scheinen der Vogelroute zu folgen, wenigstens in Amerika. Deshalb glaube ich, dass sie irgendwie miteinander zusammenhängen. Und dass alles, was ich über die Vogelviren in Erfahrung bringe, auch für die Humanvariante aufschlussreich sein könnte.»
    Ihr gefiel es trotzdem nicht, dass er in die Stadt fahren wollte. Wer weiß, was dort inzwischen los war? Wer weiß, wie verzweifelt die Leute inzwischen waren? Peter war so vertrauensselig. Er würde sofort anhalten, wenn er meinte, dass jemand seine Hilfe brauchte. Er würde nicht an seine eigene Sicherheit denken. Es musste eine andere Lösung geben. Ihr fiel ein, dass Peter früher mit jemandem von der Bundesbehörde zusammengearbeitet hatte. «Was ist mit Dan? Wäre das nicht seine Aufgabe?»
    «Ja, aber er kann auf keinen Fall in sein Labor. Alle Staatsangestellten, die nicht ausdrücklich in die Teams bestellt sind, haben Befehl, sich von ihren Instituten fernzuhalten. Wenn man ihn erwischt, fliegt er raus.»
    Sie machte einen letzten Versuch. «Die Uni ist auch geschlossen. Du könntest ebenfalls fliegen.»
    «Ich pass schon auf.»
    So hatte er sie immer abgetan.
Das wird schon gutgehen. Mach dir keine Sorgen. Ich pass schon auf.
Als ob er sie mit diesen Sprüchen wirklich beruhigen, als ob er damit ihre Befürchtungen

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